• Die Staatsschulden steigen auch wegen der Corona-Gesundheitskosten.

Abschied von der Schwarzen Null

Mit fast 100 Milliarden Euro neuen Schulden plant Bundesfinanzminister Olaf Scholz für den Haushalt 2021. Ab 2023 sollen die Corona-Kredite zurückgezahlt werden, was den Handlungsspielraum des Staates schmälert.

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Von Hannes Koch

30. Sep. 2020 –

Einen ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne neue Schulden wird die Bundesregierung wegen der Corona-Krise auf absehbare Zeit nicht mehr hinbekommen. Im Entwurf des Bundeshaushalts für 2021, den das Kabinett am Mittwoch beschloss, rechnet Finanzminister Olaf Scholz (SPD) mit 96 Milliarden Euro zusätzlicher Kredite. Fast jeder vierte Euro der 413 Milliarden Euro geplanter Ausgaben soll mit Schulden finanziert werden.

Im Vergleich zu diesem Jahr sinkt die Kreditaufnahme 2021 allerdings auf etwa die Hälfte. Union und SPD sind sich weitgehend einig, dass hohe Zusatzausgaben und Investitionen nötig sind, um die Wirtschaftskrise zu dämpfen. „Wir handeln entschlossen, auch wenn es viel Geld kostet - nichts tun käme unserem Land sehr viel teurer“, sagte Scholz.

Die Schuldenbremse im Grundgesetz soll für 2021 nochmals ausgesetzt werden, ab 2022 aber wieder gelten. Das bedeutet, dass die Kreditaufnahme des Bundes dann maximal 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen darf. Für die Jahre 2022 bis 2024 plant Scholz mit neuen Schulden im niedrigen zweistelligen oder einstelligen Bereich. Wenn die Regierung diesen Haushalt beschließt, räumt sie ein, dass die Schwarze Null, das Markenzeichen der soliden Finanzpolitik, vorläufig nicht mehr erreichbar ist. Etats, in denen die Einahmen die Ausgaben decken, gehören einstweilen der Vergangenheit an.

In der Union sind damit nicht alle glücklich. Friedrich Merz, einer der drei Bewerber um den CDU-Vorsitz, bezeichnete Scholz als „teuersten Kanzlerkandidaten in der Geschichte Deutschlands“. Der Mitbewerber und nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet plädierte für die Schwarze Null ab 2024. Vermutlich realistischer argumentierte Eckardt Rehberg, der haushaltspolitische Sprecher der Union im Bundestag: „Eine Rückkehr zur Schwarzen Null sehe ich für die nächsten Jahre nicht.“

Trotzdem stecken in der Finanzplanung noch große Herausforderungen. Ein Beispiel: Obwohl Scholz von 2022 bis 2024 rund 50 Milliarden Euro aus der Rücklage der vergangenen Jahre einsetzen will, um Ausgaben zu finanzieren, bleibt immer noch ein Loch von 42 Milliarden. Das werde sich durch den kommenden Wiederaufschwung von selbst schließen, hofft der Finanzminister.

Der größte Teil der Corona-Schulden in den Bundeshaushalten 2020 und 2021 soll später wieder abgetragen werden – 200 von rund 300 Milliarden Euro zusätzlicher Kredite. Das schmälert den finanziellen Handlungsspielraum jeder Bundesregierung zwischen 2023 und 2042. „Infolge der Tilgung werden in künftigen Bundeshaushalten etwa zehn Milliarden Euro jährlich weniger zur Verfügung stehen“, sagte Jens Boysen-Hogrefe, Ökonom am Kieler Institut für Weltwirtschaft (ifw).

Konkret: Die Bundesregierung verschuldet sich, indem sie Staatsanleihen verkauft. „Tilgung bedeutet, dass Staatsanleihen zurückgezahlt werden und der Schuldenstand absolut sinkt“, erklärte Niklas Potrafke vom ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München. „Das ist ein ambitioniertes Vorhaben, denn man weiß ja nicht, wie sich die Wirtschaftslage entwickelt.“

Der Mechanismus beruht auf der während der Finanzkrise vor zehn Jahren ins Grundgesetz eingebauten Schuldenbremse. „Fiskalregeln sind sinnvoll, damit die Verschuldung nicht ins Unendliche läuft“, sagte Marius Clemens vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. In den vergangenen Jahren spielte eine Rückzahlung keine Rolle, denn der Staat erwirtschaftete regelmäßig Überschüsse. Künftig wird sich jedoch die Frage stellen, was es bedeutet, den Schuldenstand aktiv zu drücken, denn dieses Geld steht beispielsweise für Investitionen nicht mehr zur Verfügung. „Eine zu strikte Umsetzung kann Wachstum und Modernisierung der Volkswirtschaft beeinträchigen“, so Clemens. Und eine weitere Frage knüpft sich an die Tilgung: Woher kommen die zehn Milliarden Euro pro Jahr? SPD-Chefin Saskia Esken und auch Olaf Scholz haben Steuererhöhungen für Leute mit hohen Einkommen und Vermögen ins Gespräch gebracht. Die Union lehnt das ab.

Andererseits geht es nicht um sehr viel Geld. Die zehn Milliarden machen vielleicht drei Prozent eines gesamten Bundeshaushaltes aus. „Im Vergleich zum Haushaltsvolumen ist diese Summe überschaubar“, sagte Boysen-Hogrefe. Ob sie irgendwann wirklich zum Problem wird, hängt davon ab, wie die Wirtschaft aus der Corona-Krise herauskommt. Geht die Erholung schnell, erwirtschaftet der Staat vielleicht schon bald wieder ausreichende Einnahmen und kann die Tilgung nebenbei leisten. Folgt nach Corona allerdings eine Stagnation, kann die Rückzahlungsverpflichtung bitter werden.

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