Ackermann kritisiert die Regierung

Merkel und Steinbrück hätten den Zusammenbruch des Bankensystems riskiert, sagt der Chef der Deutschen Bank im Untersuchungsausschuss des Bundestages

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Von Hannes Koch

28. Jul. 2009 –

Jovial und wichtig schreitet Deutsche-Bank-Vorstand Josef Ackermann den runden Saal ab. Den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses reicht er die Hand, dann posiert er für die Kameras. Als sei er nicht Zeuge, sondern Vorsitzender des Bundestagsgremiums, beginnt der Banker mit einer Erklärung. Und spart nicht mit Kritik an der Bundesregierung: Im vergangenen September hätten Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Zusammenbruch des deutschen Bankensystem riskiert.


Der Vorstand der Deutschen Bank war am Dienstag in den Untersuchungsausschuss des Parlaments geladen, der den Beinahe-Bankrott der Münchner Bank Hypo Real Estate (HRE) im September 2008 aufklären will. Verursacht durch die Finanzkrise stand das Institut vor dem Untergang, weil ihre irische Tochter Depfa keine Kredite von anderen Banken mehr bekam. Um den Zusammenbruch der HRE und weiterer Institute in Deutschland zu verhindern, unterstützen die Deutsche Bank, andere Privatbanken und die Bundesregierung das angeschlagene Geldhaus schließlich mit über 100 Milliarden Euro.


Die entscheidenden Verhandlungen fanden am Wochenende des 27. und 28. September 2008 statt. Ackermann äußerte sich im Ausschuss befremdet darüber, dass Steinbrücks Staatssekretär Jörg Asmussen erst so spät begann, sich an den Rettungsversuchen zu beteiligen. „Wir waren erstaunt, dass Asmussen nicht früher kam“, sagte Ackermann, „es ging Zeit verloren. Man hätte alles effizienter machen können“. Ackermann bemängelte auch, dass er erst spät in der Nacht von Sonntag auf Montag mit Kanzlerin Merkel telefonieren konnte. Wenn die Regierung die Privatbanken unter Druck setzen wollte, so habe sie diese Taktik sehr weit getrieben. Quasi in letzter Minute vor der Öffnung der asiatischen Börsen am Montag verkündete man damals die Rettung der HRE. Hätte man dies nicht geschafft, wären weitere Banken in den Abgrund gerissen worden, so Ackermann.


Aus Sicht der Bundesregierung stellt sich dieses Wochenende freilich anders dar. Merkel, Steinbrück und Asmussen wollten die Deutsche Bank und andere private Institute drängen, möglichst viel Geld für die angeschlagene HRE zur Verfügung zu stellen. Steuermittel sollten nur als letzte Konsequenz zum Einsatz kommen. Deshalb ließ sich die Regierung bei den Verhandlungen zunächst nicht blicken. Infolge diesen Drucks übernahmen die privaten Institute tatsächlich einen wesentlichen Teil der Rettungsmilliarden.


Andererseits nahm Ackermann die Bundesregierung aber auch vor Kritik der Bundestagsopposition in Schutz. „Heute sind wir alle klüger“, sagte der Banker. Der schnelle Zusammenbruch der HRE sei im Frühjahr und Sommer 2008 kaum vorhersehbar gewesen. Erst die Pleite der US-Bank Lehman Brothers habe ihn unausweichlich gemacht. Alle Beteiligten, Banken wie Regierungen, hätten die Brisanz der Lage falsch eingeschätzt.


FDP, Linke und Grüne wollen den Untersuchungsausschuss nutzen, um der Regierung Versäumnisse nachzuweisen. Die Opposition argumentiert, die Bundesregierung sei unvorbereitet in die Rettungsaktion für die HRE hineingestolpert. Die Bankenaufsicht habe frühe Warnhinweise im Laufe des Jahres 2008 ignoriert, erklärte der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick.


Dies führt die Opposition auf Mängel der Bankenaufsicht zurück. So hätten die Bundesbank und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) darauf verzichtet, an Aufsichtsratssitzungen der HRE teilzunehmen, obwohl sie das Recht dazu gehabt hätten. Ein Krisenstab aus Bundesbank und Bafin habe ebenfalls nicht existiert, so Schick. FDP-Abgeordneter Volker Wissing forderte „personelle Konsequenzen“ der Regierung.


Dass die Bankenaufsicht in Deutschland, Europa und weltweit Defizite habe, räumte auch Ackermann ein. Er habe sich in dieser Frage „vom Saulus zum Paulus“ gewandelt, sagte er. Früher habe er es abgelehnt, dass Institutionen wie die Bundesbank oder die BaFin tiefere Einblicke in private Banken erhielten. Heute dagegen halte er es für sinnvoll, „wenn jemand von außen bestimmte Dinge hinterfragt“.


Dringend verbesserungsbedürftig sei beispielsweise das Liquiditätsmanagement mancher Banken. Bei der HRE sei plötzlich das Geld versiegt. Auf diesen Extremfall sei das Institut nicht eingerichtet gewesen, so Ackermann.

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