Adel unter Kontrolle der Gewerkschaft

Soziale Kapitalisten (1): Schreibwaren-Produzent Graf Faber-Castell will bei allen Zulieferern soziale Mindeststandards durchsetzen

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Von Hannes Koch

20. Dez. 2008 –

Zu Beginn des Jahres 2009 wird Faber-Castell einmal mehr unterstreichen, dass man kein normales Unternehmen ist. Der Besitzer der Schreibwaren-Firma, Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell, setzt sich dann mit Berthold Huber, dem Chef der Industrie-Gewerkschaft Metall, an einen Tisch und unterzeichnet eine Erklärung. Der Graf wird sich verpflichten, bei allen Zulieferbetrieben seines Unternehmens vernünftige Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

 

Dass eine Firma sich derart bindet, ist eine Seltenheit. Nach Informationen der IG Metall haben nur rund 50 transnationale Konzerne weltweit so genannte Sozialchartas mit den Gewerkschaften abgeschlossen. Faber-Castell garantiert in allen seinen Werken die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Dazu gehören das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, überlanger Arbeitszeiten, sowie das Gebot, Mindestlöhne zu zahlen, freie Lohnverhandlungen zu ermöglichen und „anständige Arbeitsbedingungen“ zu gewährleisten. Mit der neuen Vereinbarung geht Faber-Castell noch einen Schritt weiter: Die Sozialstandards sollen künftig nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern auch bei den Zulieferern gelten.

 

Die im Örtchen Stein bei Nürnberg ansässige Firma mit ihren insgesamt 7.000 Beschäftigten ist eines der ältesten Markenunternehmen der Welt. Gegründet wurde es 1761, gut 100 Jahre später wurde die Familie in den Adelsstand erhoben. Diese Herkunft betrachtet man bei Faber-Castell als Ansporn, bestimmte Werte zu pflegen. Geradlinigkeit gehört dazu, unbedingt auch Bescheidenheit. Und „Verpflichtung“, sagt der Graf (Jahrgang 1941). „Eine Dynastie kann man nur fortzuführen, wenn man sich um seine Leute kümmert.“

 

Zum persönlichen Gespräch erscheint der Graf Faber-Castell, wie meist, hochgeschlossen. Edler Hemdkragen und noble Krawatte sind ihm nicht genug. Unter dem Krawattenknoten hat er zusätzlich eine Spange montiert, die die Spitzen des Kragens zusammenhält. Das ist sein Markenzeichen. Der Krawattenknoten wird in die Höhe gedrückt, was einen Eindruck von Strenge und Disziplin hervorruft.

 

Ganz selbstlos hat sich der Patriarch freilich nicht mit der IG Metall eingelassen. 1997 gab es Ärger im Stammwerk. Gewerkschaft und Betriebsrat warfen der Firmenleitung vor, gut bezahlte Arbeitsplätze in Deutschland zu vernichten und durch Jobs in der Dritten Welt zu ersetzen.

 

Diesen Vorwurf wollte der Graf nicht auf sich sitzen lassen. Er finanzierte den Beschäftigten-Vertretern eine Reise zum Faber-Castell-Werk nach São Carlos in Brasilien. Dort angekommen, fand die Delegation der Arbeitnehmer erstaunlich gute Arbeitsbedingungen vor. So zahlte Faber damals etwa das Dreifache des in Brasilien üblichen Lohn.

 

Um ihren Mitgliedern in Deutschland die Angst vor der Globalisierung wenigstens etwas zu nehmen und Lohndumping zu verhindern, handelte die Gewerkschaft einen Vertrag mit Faber-Castell aus. Die brasilianischen Arbeitsbedingungen wurden als Untergrenze auch für alle anderen Faber-Werke definiert. Damit war die Sozialcharta geboren.

 

Dass Graf Faber-Castell die Mindeststandards jetzt auch für die Zulieferbetriebe garantieren will, hat nicht zuletzt etwas mit Image zu tun. Er sagt: „Die Öffentlichkeit muss darauf vertrauen können, dass die Marke in Ordnung ist. Auch sozial.“ Nicht nur gute Produktqualität, sondern auch akzeptable Produktionsbedingungen sind Verkaufsargumente für die mitunter nicht ganz billigen Stifte und Füller aus dem Hause Faber-Castell.

 

Was ihr soziales Engagement betrifft, hat aber selbst diese Firma hat noch einen langen Weg vor sich. Bis heute, so wird in Stein eingeräumt, weiß man kaum, unter welchen Bedingungen bei den Zulieferfirmen gearbeitet wird. Von Verbesserungen kann zunächst also keine Rede sein – vor allem geht es erst einmal darum, sich selbst einen Überblick zu verschaffen.

 

 

Hannes Koch: Soziale Kapitalisten – Vorbilder für eine gerechte Wirtschaft. Rotbuch 2007. 192 S.. 19,80 €.

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