Ärztemangel könnte noch zunehmen
Kassen wollen mehr Gemeinschaftspraxen und eine andere Honorarverteilung. Auch soll die Ausbildung von Hausärzten gefördert werden.
27. Feb. 2014 –
Es gibt immer mehr Arztpraxen und trotzdem fehlen in manchen Gebieten Deutschlands praktizierende Mediziner. Patienten klagen selbst in gut versorgten Regionen über lange Wartezeiten auf einen Behandlungstermin. Der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV) will nun gemeinsam mit den Ärzteverbänden gegen den Ärztemangel vorgehen, der insbesondere bei den Hausärzten spürbar wird. „Bundesweit fehlen 1.000 Allgemeinmediziner“, sagt der stellvertretende GKV-Vorstand Johann-Magnus von Stackelberg. Die Ärzteschaft selbst geht von einem deutlich höheren Bedarf aus. Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) sind 2.600 Hausarztsitze sowie 2.000 Facharztsitze nicht besetzt. Der Unterschied zwischen beiden Rechnungen liegt im Versorgungsgrad. Hier geht die KBV von einem höheren Bedarf aus als die Kassen.
Vor allem bei den Hausärzten zeichnet sich ein gravierender zukünftiger Mangel ab. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Praxen in diesem Segment um fast 4.000 auf jetzt noch knapp 56.000 zurückgegangen. Zusammen mit den angestellten Allgemeinmedizinern ist die Anzahl der behandelnden Ärzte zwar annähernd gleich geblieben. Doch dabei werden auch Teilzeitbeschäftigte mitgezählt. Im Verhältnis zu den Fachärzten geht der Anteil immer weiter zurück. „Schon jetzt können viele Arztsitze nicht besetzt werden“, warnt KBV-Chef Andreas Köhler. In den nächsten Jahren könnte sich die Situation noch zuspitzen. Laut Köhler scheiden bis zum Ende dieses Jahrzehnts 51.000 Ärzte altersbedingt aus dem Berufsleben aus.
Mit einem Bündel an Veränderungen wollen die Kassen dem Mangel begegnen. So fordert Stackelberg eine Reform der Ausbildung der Mediziner. Das Studium sei viel zu stark auf eine spätere Spezialisierung zugeschnitten und zu wenig an der Versorgung der Patienten orientiert. „Man könnte Hausarztfakultäten gründen“, schlägt der Kassenexperte vor. Darüber hinaus plädiert der GKV für eine Reform der Bedarfsplanung für die ambulante Versorgung. Dabei soll zum Beispiel die notwendige Zahl von Hausärzten und Fachärzten getrennt berechnet werden.
Der Einzelkämpfer im weißen Kittel ist nicht mehr zeitgemäß. „Wir denken, dass kooperative Praxisstrukturen die Zukunft gehört“, erläutert Stackelberg. Damit will er gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Da die Patienten immer häufiger mit mehreren Krankheitsbildern in die Praxen kommen, sind auch Teams gefragt, die auf unterschiedlichen Fachgebieten ausgebildet sind. Vorantreiben wollen die Kassen auch die Anstellung von Ärzten durch die Praxisbetreiber. Dieses Modell kann für junge Mediziner interessant sein, weil es eine bessere Vereinbarkeit von beruf und Familie ermöglicht. Schließlich fordern die Kassen mehr flexible Angebote wie mobile Arztpraxen oder Filialen. So wird eine bessere Versorgung in den ländlichen Gebieten erleichtert.
An fehlenden finanziellen Mitteln würden die angestrebten Reformen nach Ansicht des GKV nicht scheitern. „Es fehlt nicht an Geld, aber kommt es dort an, wo es gut eingesetzt ist?“, fragt Manfred Partsch, der Verbandsexperte für die ambulante Versorgung. So zweifeln die Krankenkassen zum Beispiel an einer korrekten Dokumentation der ärztlichen Diagnosen. Sie hegen den Verdacht, dass Mediziner die Krankheiten von Patienten aufbauschen, um höhere Vergütungen einzustreichen. Einheitliche Standards für diese Dokumentationen könnten da für mehr Transparenz sorgen.
Auch die Honorarverteilung ist den Kassen ein Dorn im Auge. Niedergelassene Ärzte haben 2011 durchschnittlich 166.000 Euro Gewinn mit ihrer Praxis gemacht. Die Spanne zwischen den einzelnen Fachgebieten ist allerdings beträchtlich. Hausärzte rangieren mit 138.000 Euro am Ende der Rangliste. Radiologen kommen im Durchschnitt auf 303.000 Euro. Hier will der GKV für eine Umverteilung sorgen und die Vergütung an den Patienten orientieren. Momentan profitieren vor allem jene Ärzte von der Vergütungsstruktur, die viele teure Geräte einsetzen.