Aigner bleibt bei Gentechnik hart

Deutschland will EU-Vorstoß zu Gentechnik in Lebensmitteln stoppen / Ministerin will mehr Rechte für die Länder bei Anpflanzungen gegen FDP durchsetzen

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Von Wolfgang Mulke

19. Jun. 2012 –

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) lehnt eine Aufweichung der Regeln für gentechnisch veränderte Lebensmittel ab. Entsprechende Pläne der EU-Kommission will die Ministerin zu Fall bringen, noch bevor sie in den entscheidenden Brüsseler Gremien behandelt werden. „Die Sensibilität der Verbraucher bei Lebensmitteln ist sehr hoch“, begründet Aigner ihre ablehnende Haltung. Außerdem gehe die Transparenz für die Kunden im Supermarkt verloren, wenn nicht klar sei, was im Produkt enthalten ist. Dagegen will die Kommission eine Verordnung auf den Weg bringen, nach der Nahrungsmittel geringe Spuren nicht zugelassener gentechnisch veränderter Pflanzen enthalten dürfen. Momentan ist dies verboten.


Die Ministerin ist zuversichtlich, dass sie die Kommission von ihren Plänen abbringen kann. Denn auch andere Länder wollen keine Verunreinigungen durch Genpflanzen wie Mais oder Soja zulassen. Ungarn und Österreich stehen wohl an der Seite Deutschlands, wenn es zu einer Abstimmung darüber kommen sollte. Doch das ist keineswegs gewiss. Üblicherweise lässt die EU-Regierung Pläne frühzeitig fallen, wenn keine Mehrheit dafür erkennbar ist. Da Deutschland in der EU aufgrund seiner Größe viele Stimmen einbringen kann, kommt gegen seinen Widerstand nur schwer eine ausreichende Stimmenanzahl von Befürwortern zusammen.


Die Politikerin steht der grünen Gentechnik zunehmend kritisch gegenüber. Vor allem Produkte, die in den Handel kommen, sollen Null Gentechnik enthalten. Beim Tierfutter hat die EU die Regel bereits gelockert. Hier dürfen, weil in der landwirtschaftlichen Praxis unvermeidbar, geringe Verunreinigungen vorkommen. Das passiert zum Beispiel leicht, wenn in einer Mühle zunächst genmanipulierte Körner und danach gentechnikfreie gemahlen werden. Rückdeckung sieht die Ministerin auch durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes gegeben. Die Juristen gaben einem Imker recht. Seither muss Honig, der zufällig minimale Pollenreste von nicht zugelassenen Genpflanzen enthält, vor dem Verkauf geprüft und zugelassen werden.


„Das System hat sich bewährt“, verteidigt Aigner die Nulltoleranz-Lösung. Unnachgiebig ist sie auch dem Koalitionspartner FDP gegenüber. Die Liberalen wollen die Regeln für die grüne Gentechnik deutlich lockern. Das gilt auch für eine zweite Baustelle bei der Gentechnik. Im Koalitionsvertrag vereinbarten FDP und Union, das Bundesländer künftig eigenständig die sogenannte Abstandsregelung verfassen dürfen. Dann könnte Bayern zum Beispiel andere Vorschriften zum Abstand zwischen Feldern mit Genpflanzen und Felder mit herkömmlichen Saaten erlassen als Niedersachsen oder Brandenburg. In der Praxis könnte der Anbau verhindert werden, wenn die vorgeschriebene Distanz zum Nachbaracker zu groß ist.


Darauf pocht Aigner nun. „Ich bin vertragstreu“, sagt sie und will den Streit notfalls von den Parteispitzen im Koalitionsausschuss klären lassen. Ob und wann ein Gesetz kommt, dass den Länder mehr Rechte einräumt, ist aufgrund des Streites noch offen.







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