• Hermann-Josef Tenhagen ist Chefredakteur der Zeitschrift Finanztest.
    Bild: Stiftung Warentest

„Alarmglocke nicht zu stark schlagen“

Immer wieder ist von der drohenden Rentenlücke die Rede. Wie stark das Loch in der Kasse ist und wie Arbeitnehmer darauf reagieren sollten weiß Hermann-Josef Tenhagen. Der 47-jährige ist Chefredakteur der Zeitschrift Finanztest.

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Von Wolfgang Mulke

09. Apr. 2010 –

Frage: Nichts ist unsicherer als die Zukunft. Lässt sich der spätere Versorgungsbedarf überhaupt verlässlich abschätzen?

 

Hermann-Josef Tenhagen: Sicher ist nur, dass Arbeitnehmer aus der gesetzlichen Rente in Zukunft deutlich weniger erwarten können als heutige Rentnergenerationen. Das bedeutet, dass ich zusätzlich sparen muss, wenn ich meinen Lebensstandard halten will. Die Größe die Lücke zwischen Bedarf und gesetzlicher Rente ist individuell verschieden. Einen Anhaltspunkt dafür liefert die jährliche Prognose der Rentenversicherung, die jeder Versicherte zugeschickt bekommt. Die dort angegebene Rentenschätzung ohne Berücksichtigung denkbarer Rentensteigerungen vergleicht man  mit dem heutigen Nettolohn. Der Unterschied zwischen beiden Summen signalisiert den Handlungsbedarf.

 

Frage: Übertreibt die Finanzbranche die Gefahr der Rentenlücke nicht, um möglichst viele ihrer Produkte zu verkaufen?

 

Tenhagen: Da ist etwas dran. Mitunter rechnen die Unternehmen nicht ganz lauter und haben die zu erwartenden Renditen ihrer Produkte heraufgespielt, bei der gesetzlichen Rente wurde dann gleichzeitig mit Null-Steigerungen argumentiert. Dabei sollte das demografische Problem ab 2015  umgekehrt tendenziell für Arbeitskräftemangel sorgen. Die Löhne würden dann wahrscheinlich eher steigen als fallen. Das wirkt sich dann auch auf die gesetzlichen Renten aus, die sich ebenfalls erhöhen.

 

Frage: Also Entwarnung?

 

Das nun auch nicht. Die Lücke zwischen dem letzten Einkommen und der späteren Rente wird für viele Beschäftigte gravierend sein. Denn es kommen zwei Entwicklungen zusammen. Erstens steigen die Renten nicht so stark wie die Teuerungsrate und verlieren so an Wert. Zweitens sind viele aktuelle Erwerbsbiographien nicht mehr durchgängig. Es werden weniger Beiträge bezahlt. Entsprechend geringer fallen die späteren Ansprüche aus. Ein Teil der künftigen Rentner hat noch andere Rücklagen, die trifft das nicht so hart. Sie erben Papas Eigenheim. Das ist auch ein Vermögen. Und die Erbschaften fallen immer häufiger zu einem Zeitpunkt an, an dem die Erben selbst schon ins Rentenalter kommen. Man sollte die Alarmglocke also nicht zu stark schlagen.

 

Frage: Welche Vorsorgeinstrumente sind sinnvoll, welche nicht?

 

Tenhagen: Für Arbeitnehmer bieten sich neben der gesetzlichen Rente zunächst zwei Instrumente an. Empfehlenswert ist eine betriebliche Altersvorsorge, wenn der Chef etwas drauf packt. Da die Beiträge bei der Gehaltsumwandlung soziaversicherungsfrei sind, kann er das problemlos tun. Das lohnt sich vor allem, wenn man länger als fünf Jahre im gleichen Betrieb bleiben will.. Zweitens lohnt sich trotz der ärgerlich hohen Abschlusskosten eine Riester-Rente. Der Staat hilft hier mit Zulagen und Steuervorteilen. Sie hat sogar eine bedeutende Sozialkomponente, weil die Zuschüsse für jedes Kind gezahlt werden, Die gibt es bei der Betriebsrente nicht.

Eine Kapitallebensversicherung oder eine aufgeschobene Privatrente als zusätzliche Altersvorsorge würde ich nicht abschließen, weil die Verträge extrem lange laufen und durchgehalten werden müssen. Aber 70 Prozent der Policen enden vorzeitig, weil sich die Lebensumstände ändern und das Geld für die Prämie nicht mehr reicht. Eine eigene Immobilie ist nur dann ein guter Vorsorge-Baustein, wenn ich im Alter ohnehin genug Geld zur Verfügung habe. Ich muss die Immobilie auch unterhalten. Stein für Stein abtragen für den laufenden Lebensunterhalt – das geht ja nicht.

 

Frage: Können steigende Inflationsraten nicht die Vorsorgeplanung schnell zunichte machen?

 

Tenhagen: Das stimmt nur zum Teil. Die gesetzliche Rente ist umlagefinanziert, und deshalb gegen Inflation weitgehend geschützt. Bei privaten Rentenversicherungen gilt dies in der Ansparphase auch ein Stück weit, dann steigt die Verzinsung  Im Rentenbezug ist sie allerdings empfindlich. Der Wert von Sparverträgen mit festen Zinsen, der schrumpft ganz sicher mit der Inflation.. Von einer ganz großen Inflation gehe ich aber nicht aus. Dagegen können sich Sparer durch Sachanlagen schützen, zum Beispiel Aktien und Immobilien. Gold ist zwar auch gegen Inflation gefeit, doch es nützt im Alltag wenig. Wenn Kleinsparer im Ernstfall nur sicher über die Runden kommen wollen, sollte sie sich eher einen Schrebergarten kaufen.

 

 

 

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