„Alleine schaffen wir es nicht“
Zur Steuerschätzung Apostolos Tsalastras, SPD-Stadtkämmerer Oberhausens, einer der am höchsten verschuldeten deutschen Städte
31. Okt. 2012 –
Hannes Koch: Herr Tsalastras, die Steuereinnahmen steigen. Merken Sie davon auch etwas in Oberhausen – einer Stadt mit Rekordschulden?
Apostolos Tsalastras: Ja, die Einnahmen der Gewerbe- oder der Einkommensteuer wachsen auch bei uns. Die Schere aus zu geringen Erlösen und zu hohen Ausgaben schließt sich allerdings nur leicht. Denn die Zahl der Arbeitslosen sinkt nicht. Die Belastung mit hohen Sozialausgaben bleibt deshalb mehr oder weniger konstant.
Koch: Deutschland geht es insgesamt ziemlich gut. Der Bundesfinanzminister will demnächst keine neuen Schulden mehr machen. Kommen Sie auch in Oberhausen aus Ihrer Misere irgendwann heraus?
Tsalastras: Wir haben gewisse Hoffnung auf Gesundung. Alleine schaffen wir das jedoch nicht, wir brauchen Hilfe von außen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat beschlossen, diese auch zu gewähren. Augenblicklich erhält unsere Stadt 66,6 Millionen Euro pro Jahr. Ab 2021 haben wir dann hoffentlich einen städtischen Haushalt, bei dem die Einnahmen die Ausgaben ohne Landeshilfe decken.
Koch: Ist das mehr als eine Illusion?
Tsalastras: Unter normalen Umständen ist der Plan realistisch. Eine Finanzkrise darf allerdings nicht dazwischen kommen.
Koch: Oberhausen im Ruhrgebiet lebte früher von Kohlezechen, Kokereien und Stahlhütten. Diese Unternehmen und Arbeitsplätze sind fast alle verschwunden. Durch welche Art von Wirtschaft wollen Sie die Einnahmen erhöhen?
Tsalastras: Das ist ein langfristiger Prozess. Einiges wurde aber schon initiiert: Im Verhältnis zur Zahl der Bevölkerung haben wir mittlerweile wieder so viele Arbeitsplätze wir früher. Allerdings sind das meistens Stellen im Dienstleistungssektor, die schlechter bezahlt werden: Gastronomie, Tourismus, Einzelhandel, Bewachungsgewerbe. Mit dem Centro beheimatet Oberhausen das größte Einkaufs- und Freizeitzentrum Europas.
Koch: Sie haben vor Gewaltausbrüchen wie in den abgehängten und verarmten französischen Vorstädten gewarnt. Wie wollen Sie die Sozialausgaben drücken, ohne so etwas zu riskieren?
Tsalastras: Wir können unsere Finanzprobleme nicht lösen, indem wir Schulen schließen, Kitas zumachen oder das Wohngeld für Arbeitslose kürzen. Die meisten dieser öffentlichen Dienstleistungen müssen wir erbringen. Sparen hat da enge Grenzen. Wir können nur dann Fortschritte machen, wenn sich die Wirtschaft gut entwickelt.
Koch: Bald muss auch das Land die Schuldenbremse einhalten. Neue Kredite sind dann verboten. Wer soll Ihnen noch helfen?
Tsalastras: Auch unter der Bedingung einer Nullverschuldung müssen die Länder Mittel bereitstellen, um Städte wie Oberhausen im Notfall zu unterstützen. Der Bund muss sich ebenfalls engagieren. Denn Regionen, in denen der Strukturwandel zuschlägt, wird es immer geben. Vielleicht sind wir als Stadt irgendwann über den Berg. Dann könnte es die ländlichen Gebiete treffen, die keine Subventionen von der EU mehr erhalten. Gegenseitige Finanzhilfen innerhalb Deutschlands durchzusetzen, wird künftig aber schwieriger.
Info-Kasten
Apostolos Tsalastras, 48 Jahre alt, Nachkomme griechischer Einwanderer, Ökonom, ist SPD-Stadtkämmerer von Oberhausen. Mit knapp 8.500 Euro pro Kopf der 212.000 Einwohner steht die Stadt im Ruhrgebiet auf einem Spitzenplatz der Schulden-Tabelle deutscher Städte. 2012 kommen 60 Millionen Euro Schulden hinzu. Insgesamt hat die Stadt Verbindlichkeiten von etwa zwei Milliarden Euro aufgehäuft. Zurückzahlen ist illusorisch. Schön wäre es aber schon, wenn nicht jedes Jahr neue rote Zahlen hinzukämen. Daran arbeitet die Stadtverwaltung.