Altmaier droht mit horrenden Ökostrom-Kosten

Die Energiewende koste bald 1.000 Milliarden Euro, fürchtet der Minister. Wirtschaft muss auf Vergünstigungen verzichten

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Von Hannes Koch

20. Feb. 2013 –

Bis zu 1.000 Milliarden Euro könne die Energiewende kosten, sagte Bundesumweltminister Peter Altmaier am Mittwoch. Mit dieser erstaunlich hohen Zahl machte der CDU-Politiker Werbung für sein Vorhaben, den Kostenanstieg beim Ökostrom zu dämpfen. Zur Debatte steht unter anderem, Industriebranchen wie dem Kohlebergbau und die Nahrungsmittelproduktion einen höheren finanziellen Beitrag abzuverlangen.


Auf 67 Milliarden Euro bezifferte Altmaier im Interview mit der FAZ die bislang an die Betreiber von Solar-, Wind- und anderen Ökokraftwerken ausgeschüttete Förderung. Diese zahlen die privaten Stromverbraucher und die meisten Firmen als Umlage mit ihrer Stromrechnung. Laufe das System bis 2022 so weiter wie bisher, würden potenziell 680 Milliarden erreicht, so Altmaier. Hinzu kämen Kosten für den Neubau von Leitungen und Gebäudesanierung.


Die Rechnung des Ministers sei „nicht seriös“, sagte dagegen Ulrich Kelber, Vizefraktionschef der SPD. So beziehe Altmaier Kosten ein, die auch ohne die Energiewende entstünden. Die grüne Vizefraktionschefin Bärbel Höhn kritisierte Altmaiers „Wahlkampfgetöse: Wenn man Umweltschäden durch Kohlekraftwerke, den üblichen Netzausbau und den Import von Gas oder Öl zusammenrechnet, kommt man für den gleichen Zeitraum auf höhere Kosten.“ Außerdem wolle der Minister davon ablenken, „dass die Regierung durch die vielen Industrieausnahmen die Strompreise für die privaten Haushalte deutlich erhöht hat“.


Diese Erkenntis hat sich auch bei der Bundesregierung inzwischen durchgesetzt. Gemeinsam wollen Altmaier und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) den Anstieg des Strompreises und der Umlage für die Erneuerbaren Energien bremsen. 700 Millionen Euro jährlich soll die Industrie beitragen, indem Ausnahmen von der Umlage eingeschränkt werden, die Unternehmen mit hohem Stromverbrauch bislang begünstigen. Diese Ausnahmen führen umgekehrt zu höheren Kosten für die Privathaushalte und die Mehrheit der Firmen.


In Kreisen der Regierung kursieren nun Vorschläge, welche Branchen betroffen sein könnten. Genannt werden unter anderem Schienenverkehrsunternehmen, der Steinkohle- und Braunkohle-Bergbau, die Herstellung von Getränken, Nahrungs- und Futtermitteln, sowie die Abfall- und Recycling-Branche. Deren Stromkosten würden steigen, wenn sie die Öko-Umlage künftig in vollem Umfang entrichten müssten.


Im Rahmen der „besonderen Ausgleichsregelung“ des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes sind bislang alle produzierenden Unternehmen teilweise von der Öko-Umlage befreit, wenn sie mehr als eine bestimmte Strommenge verbrauchen und die Elektrizität einen großen Kostenblock ausmacht. Diese Kriterien ändert die Regierung möglicherweise: Künftig würden nur noch Produktionsfirmen begünstigt, die im starken internationalen Wettbewerb stehen. Dafür liegt der Bundesregierung eine mit der Europäischen Kommission abgestimmte Liste bereits vor. Darin enthalten sind 14 Branchen, unter anderem die Produktion von Aluminium, Eisen, Stahl, chemischen Grundstoffen, Papier, Dünger, Kunststoff und Eisenerz. Alle anderen Wirtschaftszweige müssten dann auf die bisherige teilweise Befreiung von der Umlage verzichten.


Am Mittwoch schaltete sich auch der Verband der Energieintensiven Industrien (EID) in die Debatte ein. Er vertritt die Hersteller von Baustoffen, Glas, chemischen Produkten, Papier und Metallen. Sollte die Regierung einen Teil der Vergünstigungen wie geplant streichen, koste dies die Mitglieder der Verbandes rund 315 Millionen Euro jährlich und gefährde deshalb Arbeitsplätze. Beispielsweise die Deutsche Bahn AG stehe dagegen kaum im internationalen Wettbewerb, hieß es beim Verband der Chemischen Industrie. Die Botschaft: Die Bahn könne auf die Befreiuung von der Öko-Umlage wohl verzichten.

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