Angeklagte Angela Merkel verurteilt

Bankentribunal von Attac: Die Globalisierungskritiker inszenierten eine fiktive Gerichtsverhandlung, um die vermeintlichen Verantwortlichen für die Finanzkrise zu identifizieren. Auch Deutsche-Bank-Chef Ackermann kam nicht gut weg

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Von Hannes Koch

11. Apr. 2010 –

Schließlich kam es, wie es kommen musste: Die Angeklagte Angela Merkel wurde verurteilt. Die Kanzlerin, so befand das Gericht, sei dafür verantwortlich, dass „die Kosten der Finanzkrise den Steuerzahlern aufgebürdet werden“, und nicht den Banken. Auf ein Strafmaß für Merkel wollten sich die Richter freilich nicht festlegen. Die vorsitzende Richterin sinnierte während der Urteilsverkündung darüber, ob man Merkel mit „16 Jahren Opposition“ oder „16 Jahren Regierung“ bestrafen solle, damit „sie die Suppe selbst auslöffelt“.


Am Sonntagvormittag endete das Banken-Tribunal, das die globalisierungskritische Organisation Attac in der Berliner Volksbühne veranstaltete. In Form einer inszenierten Gerichtsverhandlung war seit Freitag Abend eine Art zivilisierter Schauprozess abgelaufen. Das Gericht erforschte vor 800 Zuschauern, welche Verantwortung die folgenden Personen für die Finanzkrise tragen: Merkel, Altkanzler Gerhard Schröder, Ex-Finanzminister Peer Steinbrück, der ehemalige Bundesbank-Chef Hans Tietmeyer und Josef Ackermann, Vorstand der Deutschen Bank. Selbstredend waren die Angeklagten nicht zur Verhandlung erschienen. Aber das hatte auch keiner erwartet.


Denn man tut den Organisatoren des Tribunals nicht unrecht, wenn man sagt, dass das kritische Urteil von Anfang an feststand. Schließlich vertraten alle an der Verhandlung beteiligten Akteure – Richter, Ankläger, Verteidiger, Zeugen und Publikum – im wesentlichen dieselbe Meinung.


Die Ankläger, darunter der emeritierte Professor Elmar Altvater, betrachteten die Finanz-, Banken- und Schuldenkrise als logisches Ergebnis des „Neoliberalisumus“ der vergangenen 30 Jahre. Alle Bundesregierungen seit der Zeit Helmut Kohls hätten die Spaltung zwischen Arm und Reich verstärkt, die prosperierenden Bevölkerungsschichten durch Steuersenkungen begünstigt und dafür gesorgt, dass mehr Kapital in Finanzspekulationen floss. Außerdem unternähme auch die gegenwärtige Regierung nicht genug, um die möglicherweise nächste Krise zu verhindern.


Im Rahmen der fiktiven Verhandlungen kam es trotzdem zu interessanten Kontroversen. Besonders Verteidiger Wolfgang Kaden, der ehemalige Chefredakteur des Spiegel, nahm seine Rolle ernst. „Die Anklage ist einseitig und naiv, aber nicht gerecht“, sagte Kaden. Die Finanzkrise sei nicht einzelnen Personen und den von ihnen vertretenen Institutionen anzulasten, sondern einer Gesellschaft, die ohne permanentes Wachstum und den damit einhergehende Übertreibungen nicht leben könne. Für solche Einschätzungen erhielt Kaden viel Beifall, musste sich aus dem Publikum aber auch als „Zyniker“ beschimpfen lassen.


In Bezug auf die Rettung der maroden Münchner Bank Hypo Real Estate brach Kaden einen Stab ebenfalls für die Regierung und Deutsche-Bank-Chef Ackermann. „Ja, auch die Deutsche Bank hat von der Rettung der HRE profitiert“, so Kaden. Aber was sei die Alternative gewesen? Hätte die Bundesregierung nicht rund 100 Milliarden Euro bereitgestellt, um die HRE aufzufangen, wäre das Institut pleitegegangen, befürchtete Kaden. Die möglichen Folgen: weitere Bankrotte und der Zusammenbruch des Finanzsektors.


Das sah Zeuge Harald Schumann, Journalist des Berliner Tagesspiegel, ziemlich anders. Die Notwendigkeit, die HRE aufzufangen, bezweifelte er zwar nicht. Die konkrete Umsetzung der Rettungsaktion beinhalte aber ein für die Steuerzahlen extrem teures Geschenk an die Deutsche Bank und andere Institute. Schumann argumentierte, die Bundesregierung hätte die Gläubiger der HRE, darunter die Deutsche Bank, viel stärker an den Kosten der Rettung beteiligen müssen.


Solche Thesen waren es denn auch, die Attac mittels des Tribunals in die Öffentlichkeit bringen wollte. Und natürlich die grundsätzliche Botschaft: Wer die nächste Krise verhindern wolle, müsse den Banken, Hedgefonds und Investoren eine viel striktere politische Regulierung auferlegen, als sie die Bundesregierung zur Zeit betreibe.

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