Anlageberatung gleicht Lotteriespiel

Anlegerschutzgesetz wird schon wieder verwässert

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Von Wolfgang Mulke

15. Jul. 2010 –

Auch knapp zwei Jahre nach der Pleite der Lehman-Bank hat sich die Anlageberatung der Banken nur stellenweise verbessert. Gesetzlich wurde bislang entgegen den Zusagen der Bundesregierung gerade einmal die Haftung für Falschberatung verbessert. „Die Anlageberatung gleicht einem Lotteriespiel“, kritisiert der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), Gerd Billen deshalb die Politik. In weiten Teilen des Finanzmarktes herrschten Zustände wie im wilden Westen.

 

Die Bundesregierung will in der kommenden Woche zwar ein Gesetz für den besseren Schutz der Sparer beschließen. Doch nach Billens Ansicht ist der Entwurf mittlerweile stark verwässert worden. Der von Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) durchgesetzte Beipackzettel für einzelne Finanzprodukte sorgt demnach nicht für mehr Transparenz. Im Gesetz fehlen zum Beispiel Vorgaben für eine einheitliche Gestaltung der Risiken und Kosten der Produkte. Auch werden die Kosten nicht nach Provisionen und Verwaltungskosten aufgeschlüsselt. Am meisten ärgert Billen, dass das Informationsblatt erst vor dem Abschluss eines Vertrags übergeben werden muss und nicht, wenn ein Finanzprodukt auf den Markt kommt. Ein Vergleich verschiedener Offerten, zum Beispiel im Internet, ist für den Sparer daher nicht möglich. Der vzbv fordert die Verbraucherministerin nun auf, das Gesetz noch einmal zu verbessern.

 

Auch die in diesem Jahr neu eingeführten Beratungsprotokolle lassen laut Verband zu wünschen übrig. Die Bankberater müssen die wesentlichen Inhalte der Kundengespräche aufzeichnen. So soll die Beweisführung bei einer falschen Beratung erleichtert werden. Doch eine Untersuchung der Finanzaufsicht ergab, dass bei zwei Dritteln der Protokolle notwendige Angaben fehlten. Oft müssen die Kunden das Protokoll unterschreiben, obwohl der Gesetzgeber genau dies nicht wollte. „Die Protokolle lassen meist nicht erkennen, wie das Beratungsgespräch abgelaufen ist“, urteilen die Verbraucherschützer und verlangen eine Umkehr der Beweislast. Dann müssten die Institute nachweisen, dass sie ihre Sparer richtig informiert haben.

 

Einen weiteren Mangel haben die Verbraucher selbst zu verantworten. Viele Sparer kennen den Zusammenhang zwischen Risiko und Ertrag bei der Geldanlage nicht. Ein Forschungsprojekt der Uni Mannheim soll da Abhilfe schaffen. Professor Martin Weber hat dafür ein Programm ins Internet gestellt. Unter der Webadresse www.behavioral-finance.de/risiko können Sparer ihre Risikoneigung ermitteln. „Wenn sie das Risiko nicht erleben, kommt es nicht im Kopf an“, sagt Weber und hofft auf möglichst viele Teilnehmer an dem wissenschaftlichen Versuch.

 

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