Anonyme Briefkastenfirmen sind auch in Deutschland aktiv

SPD, Grüne und das Netzwerk für Steuergerechtigkeit fordern ein europäisches Firmenregister mit öffentlich zugänglichen Informationen über die wahren Eigentümer von Unternehmen. Finanzminister Schäuble ist skeptisch.

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Von Hannes Koch

05. Apr. 2016 –

Kein vornehmlich deutsches und europäisches Problem ist die Panama-Affäre nach Ansicht der Bundesregierung. Hier sei in den vergangenen Jahren schon viel gegen Steuerhinterziehung und Verschleierung von Kapital unternommen worden, sagt Martin Jäger, Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, am Montag. Kritiker wie der grüne Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick sehen das anders: Sie werfen Schäuble vor, Transparenz bei Kapital und Steuern auch in Europa zu behindern.

 

Die Süddeutsche Zeitung, der NDR und WDR haben auf Basis geheimer Quellen nachgewiesen, dass unter anderem im mittelamerikanischen Staat Panama hunderttausende Briefkastenfirmen arbeiten. Das im Mitbesitz des aus Deutschland stammenden Jürgen Mossack befindliche Unternehmen Mossack Fonseca habe dort reichen Kapitalbesitzern geholfen anonyme Firmen zu eröffnen.

 

Diese können einerseits dazu dienen, illegal erworbenes Geld zu horten. Ein zweiter Zweck ist oft die Steuerhinterziehung. Weil die wahren Eigentümer in den öffentlich zugänglichen Unterlagen nicht auftauchen, sondern nur Strohmänner, sind die Guthaben und ihre Besitzer vor dem Zugriff der Behörden im Heimatland geschützt.

 

Im Zusammenhang mit den Briefkastenfirmen werden nun Namen wie Sergej Roldugin, eines Freundes von Russlands Präsident Wladimir Putin, des saudiarabischen Königs Salman ibn Abd al-Asis, des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und des internationalen Fußballbunds Fifa genannt. Die in Hamburg ansässige Privatbank Berenberg räumte Geschäfte mit Briefkastenfirmen ein, betonte aber, die gesetzlichen Regelungen immer zu beachten. Wegen Geschäften mit Panama verständigte sich die Commerzbank Ende 2015 mit der Staatsanwaltschaft Köln auf ein Bußgeld von 17 Millionen Euro. Das Verfahren sei eingestellt worden, sagt ein Banksprecher.

 

Sind anonyme Firmen vielleicht doch ein Problem auch für Deutschland? Wer hierzulande eine Kapitalgesellschaft – GmbH oder Aktiengesellschaft – gründen will, muss diese im Handelsregister eintragen lassen. Bei GmbHs ist deshalb für die Öffentlichkeit ersichtlich, wer die Geschäftsführer und Gesellschafter sind. Anders ist die Lage bei Aktiengesellschaften. Denn wem die AG gehört, muss nicht im Handelsregister stehen. „Bei deutschen Aktiengesellschaften besteht grundsätzlich dasselbe Problem wie bei Firmen in Panama: Die Eigentümer, in diesem Fall die Aktionäre, sind oft nicht zu erkennen“, sagt Markus Meinzer. Er arbeitet beim Netzwerk für Steuergerechtigkeit.

 

Grünen-MdB Schick ergänzt: „In Deutschland ist es zwar schwerer, eine Briefkastenfirma anzumelden und die Identität der Inhaber zu verschleiern. Aber schon im EU-Land Zypern beispielsweise geht das leichter.“ Und solche Firmen würden dann auch in Deutschland tätig, so Schick. Die Botschaft der Kritiker: Die Bundesregierung unternehme nicht genug, um anonymen Kapitalbesitzern und Briefkastenfirmen das Handwerk erschweren.

 

Ein Beispiel: „Die Bundesregierung wehrt sich bislang dagegen, ein öffentliches europäisches Firmenregister zu gründen, in dem man jede Firmen und die wirtschaftlich Berechtigten nachschauen kann“, so Schick. Damit bezieht er sich auf die zur Zeit laufende Umsetzung der vierten europäischen Geldwäsche-Richtlinie. Meinzer: „Wären alle Angaben im EU-Register öffentlich, würde das auch zur Transparenz in Staaten wie Panama beitragen.“ Dann nämlich müssten panamaische Firmen immer die Namen ihrer Eigentümer offenlegen, wenn sie in der EU Geschäfte machen. Auch Carsten Schneider, Fraktionsvize der SPD, setzt sich dafür ein, dass es ein europäisches Firmenregister mit öffentlichen Informationen über die tatsächlichen Eigentümer der jeweiligen Unternehmen gebe müsse.

 

Schäubles Sprecher Jäger räumt dagegen ein: Sein Minister sei skeptisch, ob eine solche Regelung einen „Mehrwert“ bringe. In jedem Fall sei es aber wichtig, internationalen „Druck“ aufzubauen, um „Transparenz“ in Ländern wie Panama zu befördern. Als Beispiel dafür, wie das gut funktioniere, nennt Jäger das vor zwei Jahren in die Wege geleitete Abkommen über den automatischen Austausch in Steuersachen. Mehrere Dutzend Staaten haben sich mittlerweile angeschlossen. Ab 2017 sollen sich die Finanzämter grenzüberschreitend gegenseitig über die Auslandskonten ihrer Staatsbürger auf dem Laufenden halten. „Die Gespräche mit Panama sind im Gange“, so Jäger. „Wir haben aber begrenzte Möglichkeiten und können nicht die Kavallerie schicken.“

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