Arbeitslosengeld länger als unter Kohl

Die SPD korrigiert Schröders Agenda 2010 und verspricht den Erwerbslosen Arbeitslosengeld für drei Jahre. Unter der früheren CDU-Regierung wurde es höchstens 32 Monate gezahlt

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Von Hannes Koch

15. Mär. 2010 –

Die SPD will das Arbeitslosengeld auf maximal drei Jahre verlängern. Das erklärte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Montag in Berlin anlässlich der Präsentation des Konzeptes „Fairness auf dem Arbeitsmarkt“. Sollte eine Bundesregierung das Konzept jemals realisieren, würde das Arbeitslosengeld dann länger gezahlt, als vor den Hartz-Reformen.


Nach den anderen Parteien hat damit auch die SPD eine Korrektur der Hartz-Gesetze vorgelegt. Diese Änderung ist für die SPD besonders wichtig und zugleich schmerzhaft, weil die Agenda 2010 ein Produkt der rot-grünen Ära unter Bundeskanzler Gerhard Schröder war. Die umstrittenen Hartz-Gesetze sind dafür verantwortlich, dass die Sozialdemokraten in den vergangenen Jahren in Umfragen auf 25 Prozent absackten.


Heute ist das Arbeitslosengeld I, das die Bundesagentur als Versicherungsleistung auszahlt, auf maximal zwei Jahre begrenzt. Danach rutschen die Erwerbslosen in jedem Fall auf das niedrige Arbeitslosengeld II ab (Hartz IV). Unter bestimmten Bedingungen will der SPD-Vorstand die Bezugsdauer nun auf „bis zu 36 Monate ausdehnen“, wie Gabriel sagte. In den Genuss der längeren Zahlung sollen ältere Erwerbslose kommen, wenn sie eine anerkannte, hochwertige Qualifizierungsmaßnahme absolvieren. Über diesen Beschluss soll der SPD-Parteitag im September abstimmen.


Die SPD-Führungsriege aus Gabriel, Frank-Walter Steinmeier, Olaf Scholz und Andrea Nahles schlägt auch ein höheres Arbeitslosengeld II vor. Wenn sie von ALG I auf ALG II sinken, erhalten Erwerbslose heute ein zusätzliches Übergangsgeld von maximal 160 Euro. Die SPD will diese Extrazahlung anheben, allerdings in Abhängigkeit von der früheren Beschäftigungsdauer des Betroffenen. Details hat der Parteivorstand noch nicht ausgearbeitet.


Außerdem soll das Vermögen von Erwerbslosen nicht mehr auf die Hartz-IV-Leistungen angerechnet werden. Bisher müssen Langzeitarbeitslose den großen Teil ihres angesparten Kapitals aufbrauchen, bevor sie Arbeitslosengeld II erhalten. Um diese von vielen als unfair empfundene Regelung abzumildern, hat die schwarz-gelbe Regierung unlängst die Grenze für das sogenannte Schonvermögen angehoben. Von dieser Verbesserung sind freilich nur wenige Arbeitslose betroffenen, da die meisten nicht viel Geld angespart haben.


Wie Nordrhein-Westfalens SPD-Chefin Hannelore Kraft in der vergangenen Woche bereits angedeutet hat, will die SPD auch den öffentlichen Arbeitsmarkt für diejenigen ausbauen, die keine Chancen auf eine reguläre Stelle haben. 200.000 soziale Arbeitsplätze in Städten und Gemeinden sollen zusätzlich entstehen. Nach Berechnungen der Sozialdemokraten würde das rund drei Milliarden Euro pro Jahr kosten.


Über die Kosten des höheren Arbeitslosengeldes und der anderen Maßnahmen wollten Gabriel und Scholz keine Angaben machen. Die SPD-Chef sprach sich aber dafür aus, den Arbeitslosenbeitrag nach der Krise nicht wieder zu senken, sondern die Einnahmen für die Arbeitsmarktpolitik auszugeben. Der Wirtschaft stellen die Sozialdemokraten weiterhin in Aussicht, einen bundesweiten, gesetzlichen Mindestlohn von rund 8,50 Euro festzulegen.


Die SPD hat ihre Vorschläge auch deshalb jetzt vorgelegt, weil sie damit in den Wahlkampf für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Anfang Mai eingreifen will. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hat eine Überarbeitung der Agenda 2010 gefordert. Auch er spricht über ein längeres Arbeitslosengeld I.


Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss die Bundesregierung zudem die Hartz-IV-Leistungen für Kinder verbessern. Dazu sagte Gabriel, dass seiner Meinung nach die Regelsätze steigen müssten. Ferner will die Bundesregierung den Erwerbslosen zu gestatten, mehr eigenen Lohn zum Arbeitslosengeld II hinzuzuverdienen.


Eine weitere Ebene der Debatte haben in den vergangenen Wochen Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), FDP-Chef Guido Westerwelle und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt bestritten. Sie verlangten, dass Hartz-IV-Empfängern schärfere Sanktionen drohen müssten, sollten sie angebotene Arbeiten verweigern.

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