Arbeitsvermittlung in städtischer Hand

Nach dem Willen von Union und FDP sollen mehr Städte die Hartz-IV-Leistungen managen. Zahl der Jobcenter wird sinken, aber durch eine Grundgesetzänderung legalisiert. Neuauflage der großen Koalition, weil die Union die Zustimmung der SPD braucht

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Von Hannes Koch

08. Feb. 2010 –

Die Betreuung von Arbeitslosen, die länger als ein Jahr eine neue Stelle suchen, wird künftig stärker in der Hand der Städte und Gemeinden liegen. Darauf haben sich Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, Hessens Ministerpräsident Roland Koch und weitere Unionspolitiker am Sonntag Abend geeinigt. Um aber auch die bestehenden Jobcenter, die heute meist das Arbeitslosengeld II auszahlen und neue Stellen vermitteln, rechtlich abzusichern, will die Union das Grundgesetz ändern.


Notwendig geworden ist die Reform, weil das Bundesverfassungsgericht Ende 2007 die von Rot-Grün im Rahmen der Hartz-Reformen gegründeten Jobcenter für unzulässig erklärte. Die Richter bemängelten, dass die Bürger nicht mehr wüssten, welche Instanz des Staates welche Entscheidung getroffen habe. Deshalb sei auch nicht klar, an wen eine Beschwerde zu richten sei.


Unter dem Stichwort „Unterstützung aus einer Hand“ hatte die rot-grüne Bundesregierung die ehemals getrennten Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit (Stellenvermittlung, Arbeitslosengeld II) und der Kommunen (Kosten der Wohnung, ergänzende Betreuung) miteinander verschmolzen. Das sollte den Beziehern von ALG II (Hartz IV) schneller wieder zu neuen Arbeitsplätzen verhelfen. Diese vom Verfassungsgericht kritisierte Mischverwaltung will die neue Regierung nun ermöglichen, indem sie das Grundgesetz ändert.


In den weiterbestehenden Jobcentern, deren Zahl abnimmt, wird sich damit kaum etwas ändern. Dort wird ein Mitarbeiter der Bundesagentur beispielsweise weiterhin Stellen vermitteln und eine Beraterin der Stadt den Wohnkostenzuschuss berechnen. Die Union strebt allerdings an, die Zahl der eigenständigen kommunalen Arbeitsvermittlungen zu erhöhen, weil sie der Bundesagentur in Nürnberg misstraut. In rund 170 Landkreisen und mehreren Großstädten, darunter Hamburg und Mannheim, könnten deshalb bald die städtischen Verwaltungen die Vermittlung und Betreuung von Hartz-IV-Empfängern komplett übernehmen. Dann würden bestimmte Dienstleistungen nicht mehr von Mitarbeitern der Bundesagentur, sondern von kommunalen Angestellten erbracht. Ob die Qualität der Unterstützung damit steigt, bleibt abzuwarten – das kann passieren, muss aber nicht.


FDP-Generalsekretär Christian Lindner begrüßte die Richtung der Reform. Dass die Zahl der Kommunen steigt, die die Betreuung in eigene Hände nehmen, liegt den Liberalen am Herzen. Verschnupft äußerten sich FDP-Politiker aber, weil die Union den Kompromissvorschlag alleine aushandelte und den Koalitionspartner erst nachträglich informierte.


Für die SPD sagte Generalsekretärin Andrea Nahles, die Sozialdemokraten seien „gesprächsbereit“. Die Union-FDP-Regierung braucht die Zustimmung der SPD, weil die Änderung des Grundgesetzes einer Zweidrittelmehrheit bedarf. Insofern erinnert das Verfahren an die vergangene Zeit der großen Koalition. Im Gegensatz zur Union will SPD-Arbeitsmarktexpertin Anette Kramme die „Ausweitung der Zahl der Optionskommunen eng begrenzen“. Diese Bezeichnung tragen die 69 Gemeinden, die schon heute das Arbeitslosengeld in Eigenregie verwalten. Krammes Argument: Die Qualität der Vermittlungs- und Betreuungstätigkeit in den Optionskommunen sei geringer als in den Jobcentern. Die SPD plädiert außerdem dafür, weder die Zahl der Vermittler, noch das Geld für die Arbeitsförderung zu verringern.


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