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Attentat von Würzburg ist eine Ausnahme

Ein 17jähriger afghanischer Flüchtling attackierte fünf Touristen in Bayern mit Axt und Messer. Islamischer Staat veröffentlicht Bekennervideo.

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Von Hannes Koch

20. Jul. 2016 –

Große islamistische Terroranschläge mit vielen Toten gab es in Deutschland bisher nicht. Das relative Gefühle der Sicherheit wurde in der Nacht zum Dienstag jedoch auf die Probe gestellt: Ein junger Flüchtling aus Afghanistan attackierte mit Axt und Messer eine Touristenfamilie in der Nähe der bayerischen Stadt Würzburg. Fünf Personen wurden schwer verletzt. In einem Bekennervideo, welches die dem Islamischen Staat nahestehende Agentur Amaq veröffentlichte, kündigte der Jugendliche seine Tat an und drohte „ungläubigen“ Staaten.


Der 17jährige Jugendliche wählte die Reisenden aus Hongkong in einem Regionalzug offenbar zufällig aus. Zwei seiner Opfer schwebten am Dienstagmittag noch in Lebensgefahr. Nach der Attacke versuchte er zu entkommen, doch eine Sondereinheit der Polizei, die aus anderem Grund in der Nähe war, stellte ihn. Nach offizieller Darstellung ging der Angreifer auf die Polizisten los, weshalb diese ihn erschossen hätten.


Die Tat hat möglicherweise auch damit zu tun, dass kürzlich ein Freund des Attentäters in Afghanistan um's Leben kam. Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager sagte, der Jugendliche habe sich an Nicht-Muslimen rächen wollen, die seinen muslimischen Glaubensbrüdern Leid angetan hätten. Während der Tat habe der Angreifer mehrmals „Allahu akbar“ („Gott ist groß“) gerufen.


Vor einem Jahren war der Afghane nach Deutschland gekommen – einer von rund 70.000 sogenannten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die sich ohne Eltern oder Verwandte ins Bundesgebiet durchschlugen. Er war als Asylberwerber registriert, lebte zunächst in einem Wohnheim, und während der vergangenen Wochen in einer Pflegefamilie bei Würzburg. Leute, die ihn kannten, beschrieben ihn als „ruhig und ausgeglichen“. Sie hielten ihn nicht für besonders religiös.


Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte die Urheberschaft des IS zunächst in Zweifel gezogen. Bei der Durchsuchung des Zimmers, in dem der Attentäter lebte, habe man keine Hinweise auf Kontakte zum IS gefunden.

 

Die Reaktionen in Deutschland waren bis zum Dienstagnachmittag weitgehend moderat. Herrmann erklärte, man wolle zusätzliche Polizisten einstellen. Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, forderte mehr Videoüberwachung an Bahnhöfen, sagte aber auch: „Zu glauben, wir könnten überall, vor jedem Bahnhofsabteil und überall auf den Bahnhöfen und Flughäfen mit so viel Personal präsent sein, dass wir bewaffnete Angriffe von radikalisierten Einzeltätern verhindern können, das ist Utopie.“ Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU), plädierte für eine intensivere Betreuung jugendlicher Flüchtlinge.


Während islamistische Terroristen verheerende Anschläge unter anderem in Frankreich verübten, ist es in Deutschland bisher überwiegend ruhig. 2011 tötete ein Attentäter zwei US-Soldaten am Frankfurter Flughafen und verletzte zwei weitere schwer. Allerdings verhaftete die Polizei in den vergangenen Jahren mehrere mutmaßliche islamistische Attentäter, bevor sie Anschläge ausführten. Wegen des Risikos einer Attacke wurde ein Fußballspiel zwischen den Niederlanden und Deutschland im November 2015 abgesagt, nachdem Terroristen kurz zurvor 130 Menschen in Paris ermordet hatten.


Im Verfassungsschutzbericht für das vergangene Jahr beschreibt das Bundesinnenministerium eine „grundsätzlich erhöhte Gefährdung in Deutschland“. Eine Ursache dafür sei die Beteiligung deutscher Soldaten am Kampf gegen den IS. Außerdem erhöhe die Zuwanderung, bei der im vergangenen Jahr rund eine Million Menschen nach Deutschland zogen, das Reservoir, aus dem Terroristen schöpfen könnten. Mittlerweile seien auch etwa 70 radikale Islamisten zurückgekehrt, die vorübergehend in Syrien gekämpft hätten. Der Islamische Staat fordert Muslime auf, auch Angriffe mit einfachsten Mitteln zu verüben – so wie jetzt bei Würzburg.

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