Auch Europa muss sich bewegen

Kommentar zum Griechenland-Referendum von Hannes Koch

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Von Hannes Koch

06. Jul. 2015 –

Rechthaberei ist eine schlechte Gesprächsstrategie, besonders an einem Tag wie diesem. Deshalb wirkte Jeroen Dijsselbloems Mitteilung deplaziert. Der Chef der Euro-Gruppe ließ am späten Sonntagabend verlauten, nach dem Nein-Votum in Griechenland warte man nun auf eine neue Initiative der dortigen Regierung. Zwischen den Zeilen stand: Die müssen sich bewegen, nicht wir. Diese Methode „friss oder stirb“ jedoch kann nicht funktionieren - jetzt erst recht nicht mehr.

 

Gewiss sind nicht nur die EU, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds für die abschüssige Bahn verantwortlich, auf der Griechenland in Richtung Desaster schlittert. Große Beiträge dazu hat auch die griechische Regierung mit ihrem oft eratischen Verhalten geleistet. Allerdings dürfen die Brüsseler Eliten nicht ignorieren, dass die griechische Bevölkerung in einer freien, demokratischen Abstimmung ein eindeutiges Votum zu dem Sanierungsplan abgegeben hat, den Europa für ihr Land bereithält. Sie lehnt ihn mehrheitlich ab. Sie plädiert für ein europäisches Griechenland mit besseren finanziellen Konditionen.

 

Deswegen muss nun die EU ihre Position revidieren. Höhere Mehrwertsteuer und niedrigere Renten sind keine guten Mittel, um eine Volkswirtschaft mit zu schwacher Nachfrage gesunden zu lassen. Neben Reformen des Staatsapparats braucht Griechenland ein Investitionsprogramm und einen Schuldenschnitt. Diese Methode hat in Deutschland während der 1950er Jahre bestens funktioniert.

 

So ist die Bringschuld nicht einseitig verteilt. Beide Seiten müssen sich bewegen. Dijsselbloem, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Kanzlerin Angela Merkel dürfen die Griechen nicht auflaufen lassen. Wenn die EU-Spitzen jetzt auf stur schalten, tragen sie die Hauptverantwortung für einen Weg, der immer tiefer in die Eurokrise führt.

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