Auf Korksohlen aufs Parkett

Birkenstock und Renk streben an die Börse

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Von Björn Hartmann

14. Sep. 2023 –

Sie wagen es, Birkenstock geht an die Börse. Die Schuhe des Unternehmens sind bei manchen als scheußliche Gesundheitslatschen verschrien, andere lieben sie als einzig wahre Sandale. Hass, Liebe und enormes Wachstum – Investoren vor allem in den USA schätzen solche Geschichten, deshalb soll es dort an die Börse gehen. Und es ist nicht der einzige schwergewichtige Börsengang eines deutschen Traditionsunternehmens in diesem Herbst: Panzergetriebespezialist Renk strebt auch aufs Parkett. Deutschland, so scheint es, kann es noch.

Der eher leichtfüßige Börsengang von Birkenstock beflügelt die Fantasie der Investoren wahrscheinlich am meisten. Gerüchte gab es seit Juli, jetzt hat das Unternehmen aus dem rheinland-pfälzischen Linz am Rhein die notwendigen Unterlagen bei der US-Börsenaufsicht SEC eingereicht. In der ersten Oktober-Woche könnte dann BIRK, so das Aktienkürzel, erstmals notiert werden.

Die Anfänge der Firma gehen bis 1774 zurück. Aber erst in den vergangenen zehn Jahren hat Birkenstock sich spektakulär vom Lieferanten bequemer Schuhe für medizinisches Personal und Spontis zum letzten Schrei der Modeindustrie gewandelt. Künstler haben sich der inzwischen ikonischen Sandalen angenommen, auch Manolo Blahnik, gefeierter Designer sehr hochhackiger schmaler Damenschuhe, hat ein Exemplar entwickelt – geliefert wird es im eigenen Luxuskoffer.

Zuletzt hat das Unternehmen noch in einer Hollywood-Produktion punkten können: In Barbie, dem bisher erfolgreichsten Film des Jahres, wechselt die Hauptdarstellerin von Stilettos auf die flachen „Arizona“-Sandalen mit Korkfußbett, als dessen Erfinder sich Birkenstock rühmt.

Dass das Unternehmen in den vergangenen Jahren so erfolgreich war, hat maßgeblich mit dem Chef Oliver Reichert zu tun, der das Unternehmen seit 2013 leitet. Geht der Manager, könnte es mit dem Höhenflug Birkenstocks vorbei sein. Allerdings sieht es nicht danach aus. Das Thema ist dennoch unter den Geschäftsrisiken in den SEC-Papieren aufgeführt. Zu denen gehört auch, dass die Schuhe plötzlich nicht mehr gefragt sind. In der Modewelt kann das schnell gehen, wie etwa der Hersteller der Crock-Plastiklatschen vor Jahren feststellen musste.

Derzeit läuft es aber. Im Geschäftsjahr 2022 setzte das Unternehmen 1,24 Milliarden Euro um, rund 30 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der Gewinn betrug 187,1 Millionen Euro. Und es könnte noch mehr sein. Bisher verkauft Birkenstock seine Schuhe vor allem in Europa und Nordamerika. Die Asiaten sind mit Arizona und Boston bisher kaum in Kontakt gekommen.

Die Nachfrage ist ohnehin schon hoch, so hoch, dass das Unternehmen mit der Produktion nicht nachkommt. Birkenstock fertigt fast vollständig an sechs Standorten in  Deutschland. Die meisten der zuletzt 30 Millionen Schuhpaare kommen aus dem Werk im sächsischen Görlitz, das zuletzt ausgebaut wurde. In Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern entsteht gerade für 120 Millionen Euro eine neue Fabrik. Sie soll von Oktober an produzieren. Genug Fläche für weitere Produktion ist vorhanden.

2021 kauften die Finanzinvestoren L. Catterton und Financiére Agache rund 65 Prozent der Birkenstock-Anteile von den Eigentümern Alexander und Christian Birkenstock. Hinter L. Catterton steht der französische Luxusgüterkonzern LVMH (Dior, Louis Vuitton, Tiffany). Financiére Agache ist die Investmentgesellschaft von Bernard Arnault, Großaktionär von LVMH und einer der reichsten Menschen der Welt.

Damals hieß es, Birkenstock sei insgesamt 4,9 Milliarden Dollar wert, genaue Zahlen gab es nicht. Inzwischen ist von acht Milliarden Dollar die Rede. Auch diese Zahl wird offiziell nicht bestätigt, wie sich auch das Unternehmen grundsätzlich nicht äußert. Wie die Anleger Birkenstock tatsächlich bewerten, zeigt sich nach dem Börsengang an der New Yorker NYSE. Offenbar will sich nur L. Catterton von Aktien trennen, aber weiter die Mehrheit behalten.

Auch der zweite deutsche Konzern, der jetzt an die Börse strebt, gehört mehrheitlich einem Finanzinvestor. Triton, eine deutsch-schwedische Gesellschaft, hatte Renk Anfang 2020 für 700 Millionen Euro von VW gekauft und umgebaut. Die Augsburger stellen Getriebe für Panzer, etwa den Leopard 2, und Marineschiffe her. Das Geschäft zieht gerade an, weil die Rüstungsausgaben weltweit nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine steigen, und am Marktführer kein Weg vorbeiführt. Renk baut außerdem Gleitlager für Windanlagen und hochtourige Großgetriebe, die in Pipelines und der Energieerzeugung nötig sind.

„Wir profitieren von Zeitenwende und Energiewende“, sagte Renk-Chefin Susanne Wiegand. Das Unternehmen setzte 2022 rund 849 Millionen Euro um, der Gewinn belief sich auf 144,3 Millionen Euro. Für die nächsten drei bis fünf Jahre rechnet Wiegandt mit zehn Prozent Wachstum jährlich. Auch Zukäufe sind geplant.

Renk ist nach ersten Schätzungen nicht so viel wert wie Birkenstock: geschätzte 2,5 bis drei Milliarden Euro sollen es sein. Das Unternehmen geht auch nicht in den USA an die Börse. „Wir finden Frankfurt gut“, sagt Finanzvorstand Christian Schulz. Die Aktie soll im streng regulierten Prime Standard notiert werden, aus dem unter anderem der Deutsche Aktienindex Dax und der Index der mittelgroßen Werte MDax zusammengestellt wird. Wie groß der Anteil ist, den Triton abgeben will, ist bisher nicht bekannt. Deutlich mehr als zehn Prozent werden es aber wohl sein. Termin ist wie bei Birkenstock wahrscheinlich die zweite Oktober-Woche.

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