Außer Kontrolle

Leitartikel zur Bad Bank von Hannes Koch

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Von Hannes Koch

02. Jul. 2009 –

Die abenteuerlichste Behauptung steht gleich auf der ersten Seite des umstrittenen Gesetzes. Beim Punkt „Finanzielle Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte“ ist dort schlicht zu lesen: „Keine“. Dies ist zumindest eine sehr mutige Formulierung. Man kann das auch als systematische Irreführung der Bürger durch die Abgeordneten der großen Koalition bezeichnen.


Wagen die Volksvertreter von Union und SPD mit ihrem Bad-Bank-Gesetz doch ein großes soziales Experiment, das nicht nur erstmals unternommen wird, dessen Ausgang zudem völlig offen ist. Wer will 20 Jahre vorausblicken und heute sicher sagen, dass die Kosten für die Steuerzahler gleich Null sein werden? Eine unglaubliche Unverfrorenheit, die Finanzminister Peer Steinbrücks bekannte Kaltschnäuzigkeit weit in den Schatten stellt.


An der Gründung „schlechter Banken“ führt einerseits kein Weg vorbei. Große Mengen wertloser Investment-Papiere belasten die Bilanzen der Banken und hindern sie, Bürger und Unternehmen mit Krediten zu versorgen. Um sich zu sanieren, dürfen die Institute deshalb faule Wertpapiere, die augenblicklich Verluste in dreistelliger Milliardenhöhe verursachen, in öffentlich besicherte Anstalten, die so genannten Bad Banks, auslagern. Der Staat schießt den notleidenden Banken im Gegenzug frisches Kapital zu, verkauft die Schrottpapiere allmählich und stellt den Verursachern der Krise schließlich die Kosten in Rechnung. Die Banken bleiben also in der Haftung, bis der Schaden behoben ist. Dies soll auch für die strauchelnden Landesinstitute, etwa die Landesbank Baden-Württemberg, gelten. So lautet die Theorie.


Kann sein, dass das funktioniert. Kann aber auch nicht sein. Sprechen wir uns 2029 wieder, wenn wir einen Strich unter die Krise machen und die öffentlichen Kosten summieren. Vorstellbar ist etwa dieser künftige Fall: Nachdem die Institute fünf oder zehn Jahre am staatlichen Tropf gehangen haben, proben sie den Aufstand. Sie beschweren sich, keine Dividende an ihre Aktionäre zahlen zu können. Sie wollen endlich wieder richtig Gewinn ausweisen und ihre Altlasten loswerden. Schließlich bedeuten diese einen erheblichen Nachteil im internationalen Wettbewerb. Welche Bundesregierung wollte da „Nein“ sagen – zumal, wenn es eine schwarz-gelbe wäre?


Die Koalition suggeriert zwar, die bedrohliche Lage im Griff zu haben. In den letzten Sitzungstagen der alten Wahlperiode versucht man routiniert, die Krise zu managen und trotzdem rechtzeitig in die Sommerferien zu kommen. Am Erfolg dieses Verfahrens allerdings sind einige Zweifel angebracht.


Beängstigend ist etwa die Mutlosigkeit, mit der Koalitionsparteien und Regierung den Banken gegenübertreten. Im Bad-Bank-Gesetz dominiert das Prinzip der Freiwilligkeit. Die Institute können sich selbst entscheiden, ob sie einen Investment-Schrottplatz einrichten oder nicht. Besser wäre es dagegen gewesen, man hätte die Investoren zur Teilnahme am Rettungsprogramm verpflichtet. Nur so könnten Politik und Öffentlichkeit einigermaßen sicher sein, wenigstens einen Überblick über sämtlich Risiken zu erhalten, die noch in den Büchern der Banken schlummern. Die US-Regierung von Präsident Obama ist diesen Weg gegangen, indem sie den schwankenden Instituten das Rettungskapital aufgenötigt hat. Verlässt man sich aber auf Freiwilligkeit und toleriert damit auch Geheimniskrämerei, muss die Politik mit neuen Verlusten und Rückschlägen rechnen.


Außerdem ist es ein Fehler, dass Union und SPD sich nicht durchringen konnten, als Gegenleistung für die staatliche Sicherheiten auch Eigentumsanteile, beispielsweise Aktien, der Banken zu übernehmen. Verfassungs- und eigentumsrechtlich mag das schwierig erscheinen, doch eine Rechtfertigung für diesen Schritt bestünde allemal. Schließlich haben die Institute mit ihren riskanten Geschäften die größte Wirtschaftskrise der vergangenen 100 Jahre heraufbeschworen. Diese lässt sich nur durch öffentliche Verschuldung zu Lasten der kommenden Generationen überwinden. Wenn die Gemeinschaft der Steuerzahler den nahezu bankrotten Investoren aus der Patsche helfen muss, sollte sie auch die Früchte dieser Hilfsaktion ernten dürfen. Darauf verzichtet die Regierung nun: kein Miteigentum – keine spätere Gewinnbeteiligung.


Mit verantwortlicher Politik hat all das nicht viel zu tun. Die große Koalition täuscht nicht nur sich selbst, sondern auch die Öffentlichkeit. Man suggeriert, die Lage im Griff zu haben. Tatsächlich aber kann diese Autosuggestion über einen dramatischen politischen Kontrollverlust nicht hinwegtäuschen. Diese Krise passiert, sie ist kaum steuerbar – jedenfalls nicht mit den bisher angewendeten Mitteln.

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