Bahn pocht auf sichere Stromversorgung
Fuhrpark wird in den nächsten Jahren moderner / Gespräch mit neuer Landesregierung über Stuttgart 21 gesucht / Razzia der EU-Ermittler
31. Mär. 2011 –
Die sich abzeichnende Energiewende könnte der Deutschen Bahn (DB) Schwierigkeiten bereiten. Der jetzt abgeschaltete Reaktor Neckarwestheim I lieferte acht Prozent des Stroms für den Betrieb der Züge. „Die Energieversorgung ist trotzdem gesichert“, stellte Bahnchef Rüdiger Grube klar, forderte aber für die langfristige Versorgungssicherheit eine rasche Baugenehmigung für das Kohlekraftwerk Datteln 4 in Nordrhein-Westfalen. „Wir kaufen zudem alles auf, was zu vertretbaren Konditionen am Markt für regenerative Energien verfügbar ist“, versicherte der Manager.
Mittlerweile ist die Bahn auch selbst zum Produzenten von Ökostrom geworden. Drei Windparks wurden aufgekauft und auf brach liegenden Bahnflächen sollen Solarkraftwerke entstehen. Allerdings reicht dies für den Betrieb der Züge bei weitem nicht aus. Elf Terrawattstunden Strom verbraucht die Bahn jährlich, soviel wie die Städte Hamburg oder Berlin. Gerade einmal 37 Megawattstunden liefern die konzerneigenen Windfarmen. Das kritische Bündnis „Bahn für Alle“ hält eine vollständige Versorgung mit Windenergie für machbar. „Man bräuchte 270 Windparks dieser Größe, um den gesamten Strombedarf der DB zu decken“, heißt es im Alternativen Geschäftsbericht der Initiative.
Stromprobleme ganz anderer Art könnte eine Untersuchung der EU-Kommission bringen. Wie jetzt bekannt wurde, haben deren Ermittler am Dienstag dieser Woche Geschäftsräume von Konzerngesellschaften durchsucht. Die Fahnder gehen dem Verdacht nach, dass die DB eigenen Unternehmen Fahrstrom preiswerter verkauft als Konkurrenzbahnen. Sollte sich die Vermutung am Ende der wohl langwierigen Ermittlungen bestätigen, droht dem Konzern eine hohe Geldstrafe.
Das große Thema Stuttgart 21 geht die DB ruhig an. Nach der Regierungsbildung in Baden-Württemberg im Mai am Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 will Grube das Gespräch mit dem neuen Ministerpräsidenten suchen und die Arbeiten an dem umstrittenen Bahnhof wieder aufnehmen. Bis dahin werde der Konzern keine neuen Fakten schaffen, „weder in baulicher Hinsicht noch bezüglich der Vergabe von Aufträgen“, betonte Grube auf der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens in Berlin. Auch werde weiter mit Hochdruck an dem Stresstest für die unterirdische Station gearbeitet, der im Schlichtungsverfahren um das umstrittene Vorhaben vereinbart wurde. Nachgiebig zeigt sich der Vorstand indessen nicht und kündigte erneut Schadenersatzklagen für den Fall an, dass sich das Land nicht an die abgeschlossenen Verträge hält.
Unterdessen erholt sich die Bahn wirtschaftlich wieder von den schweren Einbrüchen im Transportmarkt während der Krise. Der Umsatz erhöhte sich um fast 14 Prozent auf über 33 Milliarden Euro. Gut eine Milliarde Euro blieben als Jahresergebnis 2010 in der Kasse hängen. Die Hälfte des Betrags kassiert der Bund als Dividende. In diesem Jahr rechnet der Vorstand mit weiter steigenden Umsätzen und Gewinnen. Ohne die technischen Pannen wäre das Ergebnis wohl deutlich besser ausgefallen. Ins Kontor geschlagen hat zum Beispiel die Berliner S-Bahn, deren Pannenserie einen dreistelligen Millionenbetrag kosteten.
Die Fahrgäste können auf entspannte Reisen hoffen. Denn in den nächsten Jahren verbessert sich die Ausstattung des Fuhrparks erheblich. In diesem Jahr rollen die generalüberholten ICE wieder aus der Werkstatt. 2012 kommen 16 Züge des ICE 3 neu und die überholte IC-Reihe wieder auf die Gleise. 2013 schließlich werden Doppelstockwagen für den Fernverkehr ausgeliefert.
Kritiker der Deutschen Bahn sind mit dem Kurs des Unternehmens trotz der positiven wirtschaftlichen Entwicklung unzufrieden. Der Verkehrsexperte der Grünen, Anton Hofreiter, fordert eine Zerschlagung des Konzerns. Es sei unverständlich, warum ein deutsches Staatsunternehmen in anderen Ländern der Welt aktiv werde, sagt der Bundestagsabgeordnete. Hofreiter plädiert für eine Trennung des Netzes und die Reinvestition der Trassengewinne in die Schienenwege. Die Logistik könne verkauft werden. Im Personenverkehr solle sich der Konzern dann im Wettbewerb behaupten. Auch die verkehrspolitische Sprecherin der Linken, Sabine Leidig, will mehr gesellschaftlichen Einfluss auf die DB ausüben. „Es braucht eine grundlegende Revision der Bahnreform“, verlangt die Politikerin.