• Gerhard Schick |Foto: privat
    Gerhard Schick |Foto: privat

„Bald werden die nächsten Kredite ausgezahlt“

Der grüne Finanzexperte Gerhard Schick vermisst in Athen einen Plan, wie das Land aus der Misere herauskommt

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Von Hannes Koch

04. Jun. 2015 –

Hannes Koch: Sie haben in Athen unter anderem mit dem griechischen Vize-Finanzminister gesprochen. Wird es bald einen Kompromiss zur Lösung der Krise geben?

 

Gerhard Schick: In der griechischen Öffentlichkeit und auch in der Regierung geht man davon aus, dass es jetzt schnell zu einer Einigung kommt und kommen muss. Denn offenbar reichen die öffentlichen Mittel gerade noch für die 300 Millionen Euro aus, die die Regierung an diesem Freitag dem Internationalen Währungsfonds (IWF) überweisen soll. Dann sind die Kassen leer. Unter diesem Druck wird wohl sehr bald eine Einigung mit IWF, EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) gelingen, und die nächste Kreditrate an Athen kann ausbezahlt werden.

 

Koch: Die griechische Regierung braucht neue Hilfskredite, um die alten zurückzahlen zu können. Aus eigenen Einnahmen kann Athen diese Mittel nicht mehr erwirtschaften?

 

Schick: Bei jeder Zahlung kratzt man jetzt die letzten Reserven zusammen. Der Staat schiebt deshalb Berge offener Rechnungen vor sich her. Das sind zum Beispiel Forderungen von Lieferanten für Krankenhäuser oder andere öffentliche Einrichtungen. Dies kann man nicht endlos fortsetzen.

 

Koch: In den Verhandlungen zwischen der Euro-Gruppe und Athen soll es Fortschritte gegeben haben. Demnach muss Griechenland geringere Haushaltsüberschüsse erwirtschaften und hätte mehr Spielraum für Ausgaben zur Linderung der Krise?

 

Schick: Die europäischen Institutionen und der Währungsfonds passen ihre Forderungen damit der tatsächlichen Lage an. Die wirtschaftliche Situation Griechenlands hat sich seit Jahresende so erheblich verschlechtert, dass die ursprünglichen Vorgaben rein praktisch gar nicht mehr zu erreichen sind. Hohe Steuereinnahmen und Haushaltsüberschüsse zu erzielen, ist illusorisch.

 

Koch: EU-Kommission, EZB und IWF verlangen, dass Athen zusätzlich bei den Rentenausgaben spart und die Mehrwertsteuer erhöht. Haben Sie den Eindruck, dass die dortige Regierung darauf eingeht?

 

Schick: Ja, ich habe Kompromissbereitschaft wahrgenommen. Die Vereinfachung des Systems der Mehrwertsteuer und die damit verbundene leichte Erhöhung der Einnahmen sind ja auch sinnvoll.

 

Koch: Drängt die griechische Regierung auf einen erneuten Schuldenschnitt – mit dem Ergebnis, dass auch Deutschland auf einen Teil des geliehenen Geldes verzichten müsste?

 

Schick: Nein, das erwartet die griechische Seite augenblicklich nicht. Man hat sich erstmal damit abgefunden, dass unter anderem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dazu nicht bereit ist.

 

Koch: Das Durcheinander der vergangenen Monate hat Griechenland um Jahre zurückgeworfen. Haben Sie den Eindruck, dass die Regierung einen belastbaren Plan hat, wie das Land in den nächsten Jahren aus der Malaise herauskommen könnte?

 

Schick: Die Antworten waren dünn. Stattdessen wird auf Fehler der Troika verwiesen. Es ist richtig, die Troika hat Fehler gemacht. Aber es hat keinen Sinn, sich ständig zu beklagen, dass alles Schlechte von außen kommt. Die Regierung sollte auch selbst Vorstellungen entwickeln. Da muss sie nachlegen. Wo sollen neue Arbeitsplätze entstehen, wie kann man die öffentlichen Dienstleistungen verbessern, wie den Schmuggel bekämpfen? Auch unter der Wählerschaft der Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras scheint Ernüchterung darüber einzusetzen, dass zu wenig passiert. Der Vertrauensvorschuss ist noch nicht aufgebraucht, aber er geht zur Neige.

 

Koch: Bleibt Griechenland im Euro?

 

Schick: Die Mehrheit der griechischen Bevölkerung will das. Die Umfragen sind eindeutig und stabil.

 

Koch: Spielt die Regierung in Athen mit dem Gedanken, eine Volksabstimmung über die Sanierungspolitik und die Mitgliedschaft im Euro abzuhalten?

 

Schick: Im Augenblick geht es nur um den kurzfristigen Abschluss des zweiten Hilfsprogramms. Da ist für ein Referendum keine Zeit. Ob danach eine Abstimmung kommt, seien es Neuwahlen oder ein Referendum, wird von dem Verhandlungsergebnis und von der Zustimmung innerhalb der Regierungskoalition in Griechenland abhängen. Denn danach wird ein weiteres Hilfsprogramm notwendig sein, wegen eines weiteren Finanzbedarfs von mindestens 20 Milliarden Euro. Für diese Verhandlungen braucht die Regierung eine stabile demokratische Legitimation. Was mich befremdet, ist, dass Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Schäuble diesen Bedarf bislang gegenüber der deutschen Öffentlichkeit verschweigen und auch den Bundestag nicht richtig informieren.

 

Bio-Kasten

Gerhard Schick (43) ist stellvertretender Vorsitzender des Finanzausschusses im Bundestag. Der grüne Ökonom hat 2014 das Buch veröffentlicht „Machtwirtschaft – Nein Danke. Für eine Wirtschaft, die uns allen dient“. Sein Wahlkreis ist Mannheim.

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