• Volker Kefer

Bauen oder Schadenersatz

Im Interview

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Von Wolfgang Mulke

22. Nov. 2011 –

Kurz vor der Volksabstimmung in Baden-Württemberg über Stuttgart 21 stellt die Bahn noch einmal ihre Position klar. Der zuständige Konzernvorstand Volker Kefer (55) rechnet mit der Zustimmung der Bevölkerung zum Großprojekt. Der gebürtige Koblenzer seit 2009 für das Technikressort verantwortlich. Kefer in verheiratet und hat zwei Kinder.



Frage: Mit welchem Ergebnis rechnen Sie bei der Volksabstimmung über Stuttgart 21 am kommenden Sonntag?


Volker Kefer: Wir erwarten ein positives Votum. Die Umfragen, nicht nur von uns, zeigen eine zunehmende Zustimmung zu diesem Projekt. Vor der Schlichtung war die Mehrheit der Bevölkerung gegen Stuttgart 21, heute sind rund 55 Prozent dafür. Ich hoffe sehr auf eine hohe Wahlbeteiligung, damit das Ergebnis der Volksabstimmung möglichst repräsentativ ausfällt.


Frage: Verstehen Sie die Beweggründe der Gegner des Tiefbahnhofs?


Kefer: Menschen möchten gerne in Entscheidungen eingebunden werden. Das war bei einem Teil der Bevölkerung nicht der Fall und deshalb sind die Menschen auf die Straße gegangen, was ich verstehen kann. Deshalb fanden wir die Idee der Schlichtung gut. Das Mitnehmen der Menschen, die Transparenz und Offenlegung aller Informationen und die öffentliche Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Gegnern des Projekts hat sich bewährt. Während und nach der Schlichtung wuchs die Zustimmung deutlich.


Frage: Was geschieht, wenn die Volksabstimmung über das Projekt aus Sicht der Bahn verloren wird?


Kefer: Dann wird sich zuerst die Landesregierung erklären müssen. Fakt ist, daß die Bahn Verträge abgeschlossen hat, die unverändert gültig sind und uns zur Durchführung des Projekts verpflichten. Steigt das Land aus, werden wir Schadensersatzforderungen von rund 1,5 Milliarden Euro erheben.


Frage: Sie haben die nächste Sitzung des Lenkungsausschusses auf einen Zeitpunkt nach der Abstimmung gelegt. Sie wollen Kostensteigerungen lieber erst nach der Entscheidung verkünden, oder?


Kefer: Falsch. Wir haben den Lenkungskreis über die konkreten Risiken einer Kostenabweichung von insgesamt 370 Millionen Euro informiert und die Erkenntnisse auch ins Internet gestellt. Dies gilt unverändert. Derzeit führen wir Vergabeverhandlungen, die wir bis Anfang kommenden Jahres abgeschlossen haben wollen. Erst danach ergibt sich weiterer Entscheidungsbedarf für den Lenkungskreis, zu dem wir dann selbstverständlich zeitnah einladen.


Frage: Wer muss zahlen, wenn der Investitionsrahmen für Stuttgart 21 in Höhe von 4,5 Milliarden Euro gesprengt wird? Bund, Land oder Bahn?


Kefer: Zunächst einmal: Wir unternehmen alles, um den Finanzierungsrahmen einzuhalten. Dabei sind wir auch auf Unterstützung, insbesondere des Landes, angewiesen. Denken sie an Planänderungsverfahren oder andere Beschlüsse der Projektpartner. Sollte der Finanzierungsrahmen überschritten werden, greift die so genannte Sprechklausel. Das bedeutet, die Vertragspartner setzen sich in diesem Fall zusammen und beraten, wie eventuelle Mehrkosten getragen werden.


Frage: Könnte sich das Land aufgrund einer Kostenüberschreitung aus dem Projekt verabschieden?


Kefer: Nein, das ist vertraglich aus unserer Sicht nicht machbar.


Frage: Die möglicherweise auf die Projektpartner zukommenden Ausstiegskosten werden sehr unterschiedlich eingeschätzt. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann geht von 350 Millionen Euro aus, die Bahn von 1,5 Milliarden Euro. Haben Sie eine Erklärung für diese Diskrepanz?


Kefer: Mit den von Verkehrsminister Hermann genannten 350 Millionen Euro ist es sicher nicht getan. Vielmehr haben wir in der Schlichtung dargelegt, dass 1,5 Milliarden Euro realistisch sind. Wird Stuttgart 21 wie geplant gebaut, kostet es Baden-Württemberg 930 Millionen Euro. Steigt das Land aus, zahlt es also mehr als im Fortführungsfall und bekommt nichts dafür.


Frage: Warum fällt auch die Neubaustrecke Ulm-Wendlingen, wenn der Tiefbahnhof nicht gebaut wird?


Kefer: Nur zusammen machen beide Projekte betrieblich und verkehrlich Sinn. Daher sind sie auch im Finanzierungsvertrag gekoppelt.


Frage: Können Güterzüge die Neubaustrecke überhaupt nutzen oder bleibt sie eine Exklusivroute für den ICE?


Kefer: Wir können auf der Strecke sehr wohl Güter fahren, weil die maximale Steigung von 2,5 Prozent verkraftbar ist. Der wichtigere Effekt ist aber ein anderer. Durch die Neubaustrecke werden auf der alten Trasse Kapazitäten frei, die wir für den Güterverkehr nutzen können


Frage: Was hat sich durch den Protest gegen Stuttgart 21 in Hinblick auf die Umsetzung von Großprojekten in Deutschland generell geändert?


Kefer: Bundesweit haben wir als Bahn den Schluss gezogen, dass wir große Projekte argumentativ besser vorbereiten und erklären müssen, warum sie sinnvoll sind und sich die Investitionen lohnen.


Frage: Wie steht es um andere Neubauprojekte wie die ICE-Strecke Frankfurt-Mannheim?


Kefer: Wir wollen Rhein-Main/Rhein-Neckar unbedingt realisieren, weniger aus Gründen der Fahrzeitverkürzung als vielmehr aufgrund des Bedarfs an höherer Streckenkapazität. Die Finanzierung für das Projekt steht aber noch nicht.





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