Bei Katastrophen zahlt am Ende der Staat

Haftungsfragen bei Unfällen auf Ölplattformen in der Nordsee ungeklärt / Andere Branchen regeln den Schadenersatz

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Von Wolfgang Mulke

22. Jun. 2010 –

Gut 40 Millionen Euro muss der Ölkonzern BP an die US-Regierung überweisen. Das ist schon die dritte Rechnung, die Präsident Barack Obama dem Unternehmen für die Begleichung der Schäden im Golf von Mexiko stellt. Das ist nur ein kleiner Teil der Forderung. Insgesamt will BP über 16 Milliarden Euro für einen Hilfsfonds bereitstellen. Ob der Betrag ausreicht, um alle Schäden zu begleichen, ist noch gar nicht absehbar. In dieser Frage bleiben die USA als Anrainerstaat der einstigen Bohrinsel aber hart. BP muss blechen, soll aber nicht pleite gehen.

 

Auch in Europa würde im Falle eines solchen Unglücks schnell die Frage nach der Haftung laut. Immerhin fördern die Anrainerstaaten der Nordsee an über 300 Stellen Öl oder Gas. Experten halten auch hier eine Ölpest für denkbar, von der dann alle Küstenländer betroffen sein könnten. International geregelt wurde die Haftung bisher nur für den Schiffsverkehr. Diese Abkommen „gelten nicht für durch fest installierte Ölbohrplattformen verursachte Schäden“, stellt das Bundeswirtschaftsministerium in der Antwort auf eine Anfrage der Grünen fest. „Wir brauchen dringend eine Regelung, wer in einem solchen Fall die Kosten zu tragen hat“, fordert die Grünenabgeordnete Valerie Wilms.

 

Sollte also tatsächlich einmal ein Ölteppich die Strände von Sylt bedecken, müssen Hoteliers oder Krabbenfischer einen langen Atem mitbringen. Nach deutschem Recht können sie ihre Ansprüche geltend machen, müssen diese jedoch in dem Land durchsetzen, aus dessen Hoheitsgebiet das Öl gekommen ist. In welcher Reihenfolge die Geschädigten bedient werden, ist laut Bundesregierung ebenfalls ungeklärt. Haftungsobergrenzen gibt es nur bei Todesfällen und Körperverletzung. Bis zu 600.000 Euro ist ein Menschenleben wert.

 

Doch wenn der Schaden viele Milliarden Euro beträgt, kann das betroffene Unternehmen durch die Forderungen auch in die Knie gehen und Insolvenz anmelden. Dann bleibt die Öffentlichkeit zwangsläufig auf den Forderungen sitzen. Wie schmal das Sicherheitsband sein kann, zeigt das Beispiel Atomkraft. Sollte es zu einem Unfall kommen, stehen aus einem gemeinsamen Fonds der Atomwirtschaft sicher 2,5 Milliarden Euro für die Regulierung der Kosten bereit. Reicht der Betrag nicht, haftet der Betreiber mit allen Vermögenswerten unbegrenzt. Ein Gau würde sich viele Milliarden Euro kosten. Selbst ein Konzern wie Eon, der einen Jahresgewinn von über acht Milliarden Euro ausweist, wäre schnell an der Grenze des Machbaren angelangt. Mit der Pleite des Betreibers eines Unfall-Meilers bliebe der Steuerzahler auf  den meisten Kosten sitzen. Andere europäische Länder sind noch großzügiger und begrenzen die Unternehmenshaftung auf einen Bruchteil der Kosten eines extremen Atomunglücks.

 

Hinter der teilweisen Entlastung der Wirtschaft von einer vollständigen Haftung steht die Sorge, dass eine politisch erwünschte Technologie aufgrund der finanziellen Risiken gar nicht erst eingesetzt wird. Tatsächlich kann eine strenge Haftungsregelung den Einsatz weitgehend verhindern. Das zeigt das deutsche Gentechnikgesetz. Es sieht zwei Regelungen vor. Die Hersteller gentechnisch veränderten Saatguts müssen für alle Schäden unbegrenzt aufkommen, wenn sie die Samen ohne Zulassung an Landwirte verkaufen. Die Bauern selbst werden für alle Schäden verantwortlich gemacht, die durch den Einsatz der Gensaaten zum Beispiel auf benachbarten Biohöfen entstehen. Der Effekt ist sichtbar. Kaum ein Betrieb setzt genmanipulierte Pflanzen auf die Felder.

 

 

 

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