Beim nächsten Mal, versprochen

Meine Verantwortung als Konsument

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Von Hannes Koch

09. Mai. 2013 –

Start und los. Zwei Stunden Zeit. Die Aufgabe lautet, mit dem 13jährigen Sohn in die Innenstadt zu fahren, um Sportschuhe und T-Shirts für den Sommer zu kaufen. Quasi magnetisch werden wir angezogen von den großen Läden der internationalen Textilkonzerne.


Der Autor dieses Artikels fräst sich durch Dutzende Meter Regalreihen und Kleiderständer. Wir fragen, vergleichen, kalkulieren und schlagen zu. Kurz vor der Deadline sind wir zurück. Der nächste Tagesordnungspunkt des Multi-Tasking-Urban-Familienlebens kann kommen.


Zu Hause schaue ich mir die Beute an. Nun gut, wir waren nicht bei einer dieser Billig-Textil-Ketten, bei denen man sich angeblich für 50 Euro komplett einkleiden kann. Deshalb haben wir wahrscheinlich Glück, dass die neuen Sachen nicht aus der Fabrik im Bangladesch stammen, die vor zwei Wochen einstürzte und über 900 Arbeiterinnen das Leben kostete. Oder aus der Textilfirma, die dort am Mittwoch Abend brannte, wobei mindestens acht Arbeiter getötet wurden.


Aber auch bei den großen Bekleidungsmarken mit gutem Namen liegt vieles im Argen. Oft zahlen ihre Zulieferbetriebe lächerliche Löhne, von denen die Arbeiterfamilien kaum leben können. Das Problem wäre gelöst, würden die Endverkaufspreise pro T-Shirt um wenige Euro erhöht. Und selbst die Rechte, die die Vereinten Nationen jedem Beschäftigten auf der Welt garantieren, treten die Konzerne mit Füßen. Freiheit der Gewerkschaften? Gibt es in vielen Ländern und Zulieferfirmen nicht, die für Deutschland nähen.


Warum kaufen wir trotzdem diesen Kram, der von gutem Gebrauchswert sein mag, aber von oft sehr schlechter sozialer und ökologischer Qualität? Diese Frage richtet sich an mich und 80 Prozent der Konsumenten in diesem Land, die es sich finanziell leisten können, eine Auswahl zwischen billigen, schlechten und teuren, guten Produkten zu treffen.


Anders gefragt: Warum sind mein Sohn und ich nicht zu American Apparel gegangen (hier muss Werbung mal sein)? Schließlich ist dieses Geschäft nicht weit von den Läden entfernt, in denen wir unser Geld ließen. Auch American Apparel ist ein Konzern, aber immerhin einer, der überwiegend in den USA produziert, dort halbwegs erträgliche Dollar-Stundenlöhne zahlt und nicht Cent-Beträge in Dhaka, Phnom-Penh oder Ho-Chi-Minh-Stadt.


Erstens: Selbst American Apparel hat keine Fussballschuhe, wie mein Sohn sie braucht. Insgesamt ist das Angebot sozialverträglich oder gar fair hergestellter Schuhe noch sehr klein. Gleiches gilt für viele andere Produkte. Wer einen Laptop oder ein Smartphone kaufen will, wird kein Gutes-Gewissen-Gerät finden. Es gibt sie einfach nicht. Man muss zu den großen Elektronikkonzernen gehen. Die aber lassen alle in denselben Fabriken in China herstellen. Keine Chance.


Die Verbraucher sind also nicht alleine schuld. Einen großen Teil der Verantwortung tragen die Unternehmen und die Politik. Auch die Bundesregierung weigert sich, die Gesetze so zu verschärfen, dass deutsche Firmen vor hiesigen Gerichten verklagt werden können, wenn sie die Rechte der Arbeiter in den Produktionsländern missachten.


Zweitens: Jetzt wird es schwierig für mich. Denn ethisch einigermaßen korrekte T-Shirts gibt es bei American Apparel zuhauf. Warum sind wir trotzdem nicht hingegangen? Mögliche Antworten: Bequemlichkeit, Gedankenlosigkeit, Zeitmangel. Wir hätten es tun können, aber wir haben es nicht gemacht. Eine tragfähige Entschuldigung dafür gibt es eigentlich nicht.


Höchstens vielleicht diese: Biolebensmittel einzukaufen ist mittlerweile viel einfacher, weil sie in den meisten Geschäften angeboten werden. Ihr Marktanteil hat inzwischen so zugenommen, dass der Kauf kaum noch an praktischen Hürden scheitert. Bei fairen Klamotten sieht das deutlich anders aus. Diese muss man wirklich suchen - in wenigen Geschäften, bei Speziallabels, im Internet.


Wie lässt sich das ändern? Natürlich müssen die Politiker etwas tun, aber auch die Verbraucher. Sie sollten Druck ausüben, damit das Angebot größer wird. Das heißt: Von zehn Kaufentscheidungen sollte wenigstens eine richtig ausfallen. Wenn ich das nächste Mal T-Shirts kaufe, gehe ich direkt zu American Apparel oder in ein ähnliches Geschäft. Versprochen.

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