Besinnlichkeit geht vor Profit

Verfassungsrichter schränken Sonntagsverkauf stark ein

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Von Wolfgang Mulke

01. Dez. 2009 –

Die Läden in Deutschland dürfen sonntags nur in begründeten Ausnahmefällen geöffnet werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. „Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein Shopping-Interesse potenzieller Käufer genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen vom verankerten Schutz der Arbeitsruhe zu rechtfertigen“, heißt es im Urteil der Verfassungshüter. Dem ruhigen Sonntag misst der Senat eine wichtige gesellschaftliche Bedeutung zu. Der Ruhetag fördert und schützt danach die Religionsfreiheit, kommt Ehe und Familie ebenso wie der Erholung zugute.

 

Das Urteil betrifft zunächst nur das Berliner Ladenschutzgesetz. Seit 2006 können die Bundesländer eigenständig Öffnungszeiten festlegen. Die Hauptstadt hat seither per Gesetz die vier Adventssonntage zum Einkauf zwischen 13.00 Uhr und 20.00 Uhr freigegeben. Zudem dürfen die Läden an sechs weiteren Wochenenden öffnen. Dagegen haben die Kirchen beim Verfassungsgericht Beschwerde eingelegt und nun weitgehend Recht bekommen.

 

Am siebenten Tag soll der Mensch ruhen, heißt es sinngemäß in der Bibel. Sei fast 1700 Jahren hat der Sonntag in den christlichen Gesellschaften deshalb auch gesetzlich einen besonderen Status als Ruhetag, der für den Kirchgang, das familiäre Beisammensein oder auch für gemeinsame sportliche und kulturelle Erlebnisse genutzt werden soll. Gearbeitet werden soll an diesem Tag grundsätzlich nicht.

 

„Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erbauung gesetzlich geschützt“, lautet der Artikel 139 des Grundgesetzes. Der Passus geht auf die Weimarer Verfassung zurück und wurde nach Gründung der Bundesrepublik übernommen. Zusammen mit dem Artikel 4, der die Religionsfreiheit sichert und den Kirchenbesuch schützt, stehen die Bestimmungen gegen die pauschale Sonntagsöffnung im Advent. Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier hob hervor, dass die Ladenöffnung grundsätzlich eine gut begründete Ausnahme bleiben muss, zum Beispiel wenn Firmenfeiern oder Straßenfeste anstehen. Eine Gnadenfrist räumte er den Berlinern ein. In diesem Jahr darf die Hauptstadt im Advent noch durchgängig geöffnet bleiben. Im nächsten Jahr ist damit Schluss.

 

Das Urteil hat womöglich auch für andere Bundesländer Folgen. Sie müssen ihre Landesgesetze nun hinsichtlich des Sonntags überprüfen. Allerdings ist nur die Hauptstadt so weit gegangen, dass gleich an allen vorweihnachtlichen Wochenenden eingekauft werden darf.

 

Der Richterspruch wurde weithin positiv aufgenommen. „Das Urteil ist ein Gewinn für die Lebensqualität“, sagte der Erzbischof von Berlin, Kardinal Georg Sterzinsky. Auch die evangelische Kirche lobte die Entscheidung, weil sie der freien Religionsausübung und dem sozialen Zusammenhalt diene. „Wir finden das Urteil Klasse“, heißt es bei der Gewerkschaft Verdi, die rund 2,7 Millionen Beschäftigte im Einzelhandel vertritt. Die Berliner Verkäuferinnen und Verkäufer könnten im kommenden Jahr die Adventsonntage endlich wieder mit ihren Familien verbringen.

 

 

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