Besonders Städte leiden unter Armut

Ballungsgebiete mit einem hohen Anteil armer Bevölkerung sollten mehr Fördergelder erhalten, erklärt das Institut der deutschen Wirtschaft

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Von Hannes Koch

25. Aug. 2014 –

Für eine Änderung des Länderfinanzausgleichs plädiert das Institut der deutschen Wirtschaft. Nicht mehr Ostdeutschland als Ganzes, sondern benachteiligte Städte in Ost und West sollten künftig in den Genuss der Förderung kommen, so das arbeitgebernahe Institut aus Köln. Die Forscher argumentieren auf der Basis einer neuen Untersuchung zur Armut im West-Ost-Vergleich: Demnach ist die Benachteiligung in größeren Teilen Ostdeutschlands mittlerweile relativ zurückgegangen.

 

Zu seinen Ergebnissen kam das Institut (IW), indem es die Kaufkraft in die Berechnung der Armut einbezogen hat. Zwar liegen die Einkommen in den fünf ostdeutschen Bundesländern meist unter den westdeutschen. Da aber die Preise beispielsweise für Mieten und Konsumgüter einen noch größeren Abstand aufweisen, könnten sich die Bürger im Osten manchmal mehr leisten als die im Westen, so das IW.

 

In Zahlen: Laut IW litten 2012 in Ostdeutschland 17,7 Prozent der Einwohner unter „relativer Kaufkraftarmut“. In Westdeutschland waren es 14,6 Prozent. Betrachtet man hingegen nur die Einkommen, sei der Unterschied größer, erklärt das Institut. Mit sehr niedrigen Einkommen mussten 2012 in Ostdeutschland 19,9 Prozent der Bürger auskommen, im Westen 14,1 Prozent.

 

Konkret in Euro-Beträgen bedeutet dies, dass in Baden-Württemberg und Hessen ein Single als „kaufkraftarm“ gelten muss, wenn er weniger als 908 Euro monatlich zur Verfügung hat. In Sachsen-Anhalt dagegen liegt dieser Wert bei 812 Euro. In Niedersachsen beträgt die Schwelle 844 Euro, in Nordrhein-Westfalen 875 Euro.

 

Besonders schlecht schneiden den Berechnungen des IW zufolge aber mittlerweile viele Städte vor allem im Westen ab. An der negativen Spitze steht demnach Köln mit einem Anteil von kaufkraftarmen Bürgern von 26,4 Prozent. Sehr hoch ist die Zahl der Armen auch in Dortmund (25,5 Prozent), den Berliner Innenstadt-Bezirken (24,5), Bremerhaven und Leipzig (24,3), Duisburg, Gelsenkirchen, Frankfurt/M., Bremen, Hannover, Düsseldorf, Bielefeld und Bonn.

 

Daraus leitet IW-Chef Michael Hüther die Empfehlung ab, „die Regionalförderung neu auszurichten, um den städtischen Problemen gerecht zu werden. Künftig wird es um eine Verknüpfung von öffentlichen Investitionen, Investitions-, Innovations- und Gründungsförderung sowie Bildung, Integrationshilfen und Maßnahmen zur Stadtteilaufwertung gehen. Ein Schwerpunkt müsse dabei das Ruhrgebiet sein, so Hüther. Aber auch die sogenannten „kleinen Ruhrgebiete“ mit „nicht bewältigtem Strukturwandel“, etwa Bremen, Lübeck, Kaiserslautern oder Offenbach, bräuchten mehr Hilfen.

 

Mit seiner Studie liefert das IW Stoff für die laufende Debatte über den Finanzausgleich zwischen den Bundesländern. Die reichen Länder Bayern und Hessen haben dagegen geklagt, weil sie weniger Geld in den ärmeren Osten überweisen wollen. 2019 läuft auch der bisherige Solidarpakt zugunsten der ostdeutschen Länder aus. Unter anderem die nordrhein-westfälische Landesregierung will dann ebenfalls von einem neu ausgehandelten Finanzausgleich profitieren. NRW solle um rund drei Milliarden Euro entlastet werden, sagte Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) kürzlich.

 

Info-Kasten

Was ist Armut?

Als arm oder armutsgefährdet gelten Bürger, wenn sie weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens (Medianeinkommen) zur Verfügung haben. Das Medianeinkommen ist der Wert, der die Einkommen der Bevölkerung in eine ärmere und eine reichere Hälfte teilt. Das Institut der deutschen Wirtschaft verwendet eine Berechnung auf der Basis des Mikrozensus, die mit 15,3 Prozent deutschlandweit eine etwas niedrigere Armutsquote angibt, als etwa das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung mit über 16 Prozent.

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