• Manuel Frondel |Foto: RWI
    Manuel Frondel |Foto: RWI

„Besser, wir lassen den Schatz noch eine Weile unter der Erde“

Ökonom Frondel plädiert dafür, Fracking umweltfreundlicher zu machen, bevor man Erdgas fördert

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Von Hannes Koch

14. Mai. 2013 –

Hannes Koch: Die Bundesregierung will eine gesetzliche Grundlage für die Erdgasförderung mittels Fracking schaffen. Schätzungen zufolge könnte Deutschland dann mehr als zehn Jahre seinen gesamten Erdgasbedarf mit dieser Methode decken. Steht uns ein Wirtschaftsboom durch billige Rohstoffe bevor?


Manuel Frondel: Nein. Die Schätzungen geben eher eine theoretische Menge an. Wie viel man schließlich unter Beachtung von Regulierungsbedingungen, insbesondere von Umweltregulierung, fördern kann, muss sich erst noch herausstellen. Außerdem wird sich die Gewinnung der Reserven über einen langen Zeitraum verteilen, wahrscheinlich über mehrere Jahrzehnte. Deshalb wird die neue Erdgasförderung mittels Fracking in Deutschland wohl keinen stark preissenkenden Einfluss haben.


Koch: In den USA ist der Gaspreis auf das Niveau von vor 20 Jahren zurückgegangen. Er liegt um zwei Drittel unter den Höchststand. Warum ist dieser Effekt dort stärker?


Frondel: In Amerika geht es um viel größere Lagerstätten, die mit der neuen Technologie jetzt erschlossen werden. So könnten es die Vereinigten Staaten schaffen, beim Erdgas mindestens autark zu werden oder unter dem Strich sogar Gas zu exportieren. Das sind ganz andere Voraussetzungen als bei uns. Deutschland hat nicht die Möglichkeit, die Gasmengen, die wir beispielsweise aus Russland oder Norwegen importieren, durch eigene Förderung zu ersetzen.


Koch: Welche sind dann die ökonomischen Vorteile des Frackings in Deutschland?


Frondel: Wir würden vermutlich mehrere Milliarden Euro weniger pro Jahr an den Gazprom-Konzern in Russland und andere Lieferanten bezahlen. Dieses Geld bleibt im Inland und kann hier Investitionen und Arbeitsplätze finanzieren. Durch die Fracking-Industrie würden neue Wertschöpfungsketten entstehen: Die Gasunternehmen vergeben Forschungsaufträge oder beauftragen andere Firmen, ihnen die Bohranlagen zu liefern. Außerdem muss das Gas transportiert werden, man braucht eventuell neue Pipelines. Das alles würde die einheimische Wirtschaft stimulieren.


Koch: Sollten diese Vorteile ausschlaggebend sein angesichts der möglichen ökologischen Gefahren?


Frondel: Wir müssen die ökonomischen und ökologischen Faktoren gut abwägen und nicht auf Teufel komm heraus sofort alles fördern, was geht. Wobei ich grundsätzlich annehme, dass sich die nachteiligen Umweltauswirkungen in Grenzen halten lassen.


Koch: Kritiker warnen beispielsweise vor der Schädigung des Grund- und Trinkwassers.


Frondel: Das Risiko der Verschmutzung des Grundwassers halte ich für beherrschbar. Denn beim Fracking werden die Chemikalien in sehr tiefe Gesteinsschichten gepresst, die in der Regel weit unter dem Grundwasserspiegel liegen. Über den erdgashaltigen Schichten existieren oft auch geologische Barrieren, die das Grundwasser schützen. Allerdings sollte man mit dem breiten Einsatz des Frackings warten, bis umweltschonende Chemikalienmischungen entwickelt worden sind. Wir können uns auch deshalb Zeit lassen, weil der Gaspreis in Zukunft wahrscheinlich wieder steigt. Dann ist der Schatz unter unserem Land wertvoller als heute. Deshalb kann es aus ökologischen wie auch ökonomischen Gründen klug sein, wenn wir ihn noch eine Weile unter der Erde lassen würden.


Koch: Was schlagen Sie jetzt konkret vor?


Frondel: Man sollte ein paar Test- und Forschungsbohrungen durchführen, um die Technik weiterzuentwickeln und den ökologischen Bedenken Rechnung zu tragen. Bei verantwortungsvollem Vorgehen kann man wahrscheinlich auch die Bevölkerung gewinnen.


Bio-Kasten

Manuel Frondel (Jg. 1964) leitet den Bereich „Umwelt und Ressourcen“ am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Außerdem arbeitet er als außerplanmäßiger Professor an der Uni Bochum.


Info-Kasten

Fracking

Bei dieser Methode zur Förderung von Erdgas und Erdöl werden Wasser und Chemikalien unter hohem Druck in tiefe Gesteinsschichten gepresst. Dadurch entstehen Risse, durch die die Rohstoffe an die Oberfläche gepumpt werden können. In den USA ist das Fracking die Basis des aktuellen Gas- und Ölbooms. Umweltminister Peter Altmaier (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) wollen mit einem Gesetz Fracking nun auch in Deutschland ermöglichen. Unter anderem in den Bundesländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, sowie in der Union gibt es aber massive Bedenken. Die eigentlich für Mittwoch geplante Kabinettsentscheidung über den Gesetzentwurf ist deshalb abermals verschoben worden. (Koch)

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