Billard im Weltraum
Wie Asteroiden abgewehrt werden sollen
20. Feb. 2025 –
In den Weiten des Alls lauern zahlreiche Gefahren für die Erde – vom kleinen Gesteinsbrocken bis zum mehrere Kilometer messenden Asteroiden. Nach Weihnachten entdeckten Astronomen 2024 YR4, der unseren Planeten auf seiner Flugbahn treffen könnte. Die Raumfahrtagenturen der USA, Nasa, und Europas, Esa, arbeiten daran, das zu verhindern und die Asteroiden rechtzeitig abzulenken, eine Art Billard im Weltraum. Deutsche Unternehmen sind maßgeblich daran beteiligt.
„Wir kennen heute etwa 35.000 sogenannte Near Earth Objects“, sagt Rolf Janovsky, Leiter der Vorentwicklung beim Satellitenbauer OHB in Bremen. Von ihnen könnten etwa 1600 auf der Erde einschlagen, weil ihre Bahn um die Sonne die der Erde kreuzt. „Je nach Umlaufbahn treffen diese Asteroiden die Erde mit Geschwindigkeiten von zehn bis 70 Kilometern pro Sekunde. Bei großen Objekten besteht dann das Risiko von Schäden.“
Die Bandbreite ist groß. Vor 65 Millionen Jahren starben vermutlich die Dinosaurier aus, weil ein Asteroid mit einem Durchmesser von etwa zehn Kilometern auf der Erde eingeschlagen war und eine globale Katastrophe auslöste. Vor etwa 14,6 Millionen Jahren traf ein Meteorit das Gebiet des heutigen Deutschlands, es entstand das Nördlinger Ries. Und 2013 trat im russischen Tscheljabinsk ein Objekt mit etwa 20 Metern Durchmesser in die Erdatmosphäre ein und explodierte in 30 Kilometern Höhe. Die Druckwelle beschädigte tausende Gebäude, etwa 1500 Menschen wurden verletzt.
Am 27. Dezember 2024 entdeckte das Atlas-Teleskop in Chile 2024 YR4. Seither versuchen Experten die genaue Flugbahn herauszufinden und zu berechnen, wie wahrscheinlich es ist, dass er die Erde trifft. Zunächst waren es etwa drei Prozent, wie OHB-Experte Janovsky sagt. Inzwischen gehe die Nasa von 0,3, die Esa von weniger als 0,2 Prozent aus. „Ernsthaft Sorgen machen müssen wir uns ab einer Wahrscheinlichkeit von zwei Prozent“, erklärt Rüdiger Schönfeld, Vorstandsmitglied von OHB Systems.
Himmelskörper unter 50 Metern Durchmesser verglühten in Regel in der Erdatmosphäre, sagt Richard Moissl, Leiter des Leiter des Planetenverteidigungsbüros der Esa, zwischen 50 und 100 Metern Größe seien größere Gebiete gefährdet, zwischen 100 und 150 Metern sogar ganze Staaten, nicht so sehr wegen des Einschlags als vielmehr wegen der Druck- und Hitzewelle.
2024 YR4 hat vermutlich etwa 40 bis 90 Meter Durchmesser. Ein solches Objekt könnte bei einem Einschlag zum Beispiel eine Stadt von der Größe Hamburgs oder Münchens zerstören. „Wir gehen davon aus, dass das Äquivalent von sieben Millionen Tonnen TNT freigesetzt würde“, sagt OHB-Experte Janovsky. „Das entspräche in etwa dem Fünfhundertfachen der Hiroshima-Bombe.“
Um solche Schäden zu verhindern, arbeiten Nasa und Esa bereits seit Jahren daran, Asteroiden im All abzulenken. Ende September 2022 hat die Raumsonde Dart der Amerikaner in 195 Millionen Kilometern Entfernung den Asteroiden Dimorphos (rund 160 Meter Durchmesser) gerammt und aus seiner Bahn geworfen. Ein schwieriges Unterfangen, vergleichbar damit, von Berlin aus im neuseeländischen Auckland einen Stecknadelkopf mit einem größeren Staubkorn zu beschießen.
Dass die Mission, wie Raumfahrtprojekte heißen, erfolgreich war, ließ sich von der Erde aus messen. „Wir wissen, dass die Ablenkung von Dimorphos durch Dart viel größer war, als alle Experten erwartet haben“, sagt Janovsky. Im Oktober schickte die Esa die Sonde Hera hinterher, um genau nachzusehen. Derzeit ist sie unterwegs. Anfang Dezember 2026 soll sie ankommen.
Entwickelt und gebaut hat Hera OHB als Generalunternehmer. Beteiligt waren zahlreiche Firmen aus Deutschland und anderen europäischen Staaten. Die Sonde im Format eines VW Golf kostete einschließlich Start 363 Millionen Euro. Derzeit arbeiten die Bremer federführend am Esa-Projekt Ramses. Diese Mission soll Apophis anfliegen. Der Asteroid hat etwa 370 Meter Durchmesser, kommt auf das Format eines Kreuzfahrtschiffes.
Er sollte nach die Erde nach ersten Berechnungen treffen, passiert sie aber am 13. April 2029 nur, vermutlich in rund 32.000 Kilometern Entfernung. Geostationäre Wettersatelliten sind etwa 36.000 Kilometer von der Erde entfernt. Ramses muss im April 2028 starten, um Apophis rechtzeitig zu erreichen. Allerdings fehlt noch die Freigabe der Esa-Ministerkonferenz, in der alle beteiligten Länder über Projekte und deren Finanzierung befinden. Sie tagt im November in Bremen.
Experten können sich auch einen Flug zu 2024 YR4 vorstellen. Auch wenn es sehr knapp werden könnte. „Eine Mission mit günstigen Startbedingungen für eine Sonde müsste etwa im Mai 2028 starten und würde 2024 YR4 Ende 2028 erreichen können“, sagt OHB-Vorentwicklungschef Janovsky. Er schätzt, dass sogar zwei Missionen nötig sind. Die erste flöge am Asteroiden vorbei, um ihn genauer zu untersuchen. „Erst danach würde man gegebenenfalls über eine Ablenkungsmission entscheiden.“ Zuständig für solche Entscheidungen sind die Vereinten Nationen, schließlich ist die gesamte Erde bedroht.
Beide Missionen müssten allerdings weitgehend parallel vorbereitet werden. 2024 YR4 würde nach heutigem Stand 2032 auf die Erde zurasen. Aber: „Wenn die Einschlagwahrscheinlichkeit so gering bleibt“, sagt Janovsky, „wäre das Risiko so gering, dass wohl keine Mission stattfinden würde.“ Vorbereitet wären sie bei OHB aber.