Billig sein um jeden Preis

Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) werfen Supermarktketten vor, ihre Lieferanten unter Preisdruck zu setzen/ Das Ergebnis seien schlechte Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben

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16. Jul. 2009 –

T-Shirt oder Polo-Hemd für 4,99 Euro, Turnschuhe für 16,99 Euro: Das ist zu billig meint die Supermarkt-Initiative, ein Zusammenschluss aus Gewerkschaften und NGOs. Ihr Vorwurf: Die großen Supermarktketten drücken die Preise ihrer Lieferanten und verhindern somit faire Arbeitsbedingungen und gerechte  Löhne. Im Internet rufen die Marktwächter Konsumenten nun dazu auf, einen Online-Brief an die Handelsriesen zu schicken, der zur Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten, ökologischen und sozialen Standards sowie zu fairen Einkaufspraktiken auffordert.

Immer wieder decken Studien Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen in Zulieferbetrieben auf. Das kirchennahe Südwind-Institut, das sich für gerechte Wirtschaftsbeziehungen einsetzt, hat im vergangenen Jahr sechs chinesische Fabriken, die Aktionsware für Aldi herstellen, unter die Lupe genommen und etliche Verstöße festgestellt. Überstunden waren beispielsweise an der Tagesordnung. Bei niedrigen Löhnen, die nicht zum Leben reichen, schufteten die Näherinnen bis zu 91 Stunden in der Woche, und schriftliche Arbeitsverträge wurden von der Geschäftsleitung schlichtweg verweigert. Im selben Jahr deckte die „Kampagne für Saubere Kleidung“ (CCC) ganz ähnliche Verstöße in Betrieben die für Aldi und Lidl in Sri Lanka, Thailand, Bangladesch und Indien produzieren, auf. Trauriger Höhepunkt: Im Dezember 2008 hat sich ein Mädchen in einer Jeans-Fabrik, die für die Metro-Gruppe produziert, zu Tode gearbeitet. Ihre Bitte um einen freien Tag wurde von der Geschäftsleitung verweigert, ihre völlige Erschöpfung ignoriert. Als Reaktion darauf kündigte die Metro-Gruppe dem Betrieb zunächst die Zusammenarbeit. Auf Druck der Öffentlichkeit nahm der Konzern die Zusammenarbeit aber wieder auf und versprach, sich für bessere Bedingungen einzusetzen.  
"Unternehmen drücken sich immer wieder vor ihrer Verantwortung, wenn es um die Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten geht", erklärt Marita Wiggerthale, von Oxfam Deutschland, einem Mitglied der Supermarkt-Initiative.

Auf Anfrage dieser Zeitung äußerte sich Aldi zu den Anschuldigungen. Das Unternehmen werde die angesprochenen Arbeitsrechtsverletzungen überprüfen. Des Weiteren gehöre der Discounter der Business Social Compliance Initiative (BSCI) an, einer freiwilligen internationalen Initiative, deren Mitglieder aus Handel und Industrie sich zur Umsetzung und unabhängigen Kontrolle von Sozialstandards in der Lieferkette verpflichten. Noch über die Vorgaben des BSCI-Kodex hinaus, werde das Unternehmen in einem ersten Schritt seine Lieferanten aus den Bereichen Textilien, Schuhe und Spielzeug als neue BSCI-Mitglieder einbringen. Auch Lidl und Metro weisen auf ihre Mitgliedschaft im BSCI hin. Doch die Einführung von Sozialstandards in den Produktionsländern sei ein langfristiger Prozess, verteidigt sich Aldi.

Die Supermarkt-Initiative weist den Filialisten trotzdem eine erhebliche Mitschuld an den Zuständen in mancher Fabrik zu. Danach führt der Preisdruck der Industrie am Anfang der Lieferkette zu schlechten Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten und zu Verstößen gegen Menschenrechte.

Unlängst hat der Markenverband, der die Interessen von 400 deutschen Lieferbetrieben vertritt, eine Klage gegen Edeka beim Bundeskartellamt eingereicht. Nach der Übernahme von Plus soll der Lebensmittelkonzern seine Nachfragemacht missbraucht und an seine Lieferanten „unangemessen hohe und unrechtmäßige“ Forderungen gestellt haben. Lieferanten mussten zum Beispiel Extrazahlungen für die Partnerschaft mit Edeka leisten. Anonym hatten sich zuvor mehrere Hersteller beim Verband über die schlechten Konditionen beschwert. „Kein einziger Lieferant würde öffentlich zugeben, dass er unter Druck gesetzt wird“, weiß Agrarexpertin Wiggerthale. Die Zeche des Preiskampfes zahlten Arbeiter und Arbeiterinnen die die billigen Schnäppchen produzieren.

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