Birkenstock beflügelt die Fantasie

Schuhersteller soll an die Börse gehen

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Von Björn Hartmann

14. Jul. 2023 –

Wohl kaum ein Schuh teilt die Menschen so zuverlässig in zwei Gruppen wie die Kork-Latsche von Birkenstock. Zwischen hässlich und grandios gibt es wenig Zwischentöne. In den vergangenen Jahren überwog die Begeisterung für das Produkt mit Fußbett und Lederriemen. Konzeptkünstler nahmen sich der Sandale an, Schuhgroßmeister wie Manolo Blahnik. Und jetzt sind auch Anleger elektrisiert und nicht nur die, die Birkenstocks Sandale „Arizona“ zum Anzug tragen: Das ikonische deutsche Unternehmen könnte in den USA an die Börse gehen.

Dass die Information bekannt wurde, ist sehr wahrscheinlich Teil des Plans der Haupteigentümer. Die Finanzinvestoren L.Catterton (USA) und Financiére Agache (Frankreich) wollen sehen, wie viel Interesse das Unternehmen erzeugt. Und sie wollen es natürlich ins Gespräch bringen. Hinter L.Catterton steht der französische Luxuskonzern LVMH (Dior, Louis Vuitton, Tiffany), Financiére Agache ist die privaten Investmentgesellschaft von Bernard Arnault, Großeigner von LVMH.

Der Börsengang ist angeblich nur eine Idee, die die Eigentümer durchspielen. Aber offenbar wollen sie nach zweieinhalb Jahren Geld sehen. Und wie immer, wenn einer der reichsten Menschen der Welt mitmischt, geht es um große Summen. Erst im Frühjahr 2021 hatten die Finanzinvestoren Birkenstock von Alexander und Christian Birkenstock gekauft. Die beiden halten noch einen Anteil. Der Preis wurde nicht genannt, in der Branche hieß es, das Unternehmen sei mit 4,9 Milliarden Dollar (damals etwas über vier Milliarden Euro) bewertet worden. Knapp zweieinhalb Jahre später rechnen die Eigner offenbar mit bis zu sechs Milliarden Dollar. So berichtet es zumindest die Nachrichtenagentur Bloomberg.

Erstaunlich viel Wertsteigerung für ein mittelständisches Unternehmen, das vor der Übernahme angeblich knapp eine Milliarde Euro umsetzte und einen operativen Gewinn um die 150 Millionen Euro verzeichnete. Aber wie immer geht es nicht um das Ist, sondern um die Zukunft. Und da ist offenbar auch einiges möglich. Das hat Birkenstock schon in den vergangenen gut 250 Jahren Geschichte bewiesen.

Die Anfänge des Unternehmens aus dem rheinland-pfälzischen Linz am Rhein reichen bis 1774 zurück. Damals begann Johann Adam Birkenstock, Schuhe im hessischen Langen-Bergheim herzustellen. Konrad Birkenstock erfand dann in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts das flexible Fußbett mit dem Material Kork. Die Sandale Arizona gibt es seit 1963. Lange Jahre waren deutsche Touristen im Ausland an der für Modefans geradezu grauenhaften Kombination von kurzen Hosen, weißen Socken und Arizona zu erkennen. Das Produkt war der Inbegriff deutscher Spießigkeit. Die geschlossene Variante Boston galt lange als Gesundheitsschuh, war vor allem bei Ärzten und medizinischem Personal beliebt. Auch Ökos und Spontis zogen die Birkenstock-Produkte gern an.

Ein Visionär setzte schon auf die bequemen und gesunden Schuhe, als das Unternehmen noch als bieder galt: Apple-Gründer Steve Jobs war Fan. So richtig rund liefen die Geschäfte aber nicht. 2012 kopierte dann das Luxuslabel Celine einen Birkenstock-Schuh, als Obermaterial kam Fell zum Einsatz, nach innen gedreht. Plötzlich war der praktische, aber designerisch gewöhnungsbedürftige Schuh eine Provokation – und die liebt die Modebranche. Supermodel Kate Moss trug sie plötzlich, Heidi Klum wurde in ihnen gesehen, Designer kombinierten ihre neuen Kollektionen mit den Sandalen.

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