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Von Hannes Koch

19. Sep. 2014 –

Nicht, dass wir knöcheltief durch Dreck stapften. Aber unser Kreuzberger Gründerzeithaus, in dem wir und die Nachbarn jeweils eine Eigentumswohnung besitzen, sah innen etwas mitgenommen aus. Die Flurläufer schwarz von Straßendreck, in den Ecken Spinnweben, die Wohnungstüren so staubig, dass man mit dem Finger Grüße draufschreiben konnte. Uns wurde klar: Der Hausputz, ausgelagert an eine Reinigungsfirma, funktionierte seit Wochen nicht mehr.

 

Die erste Erklärung des Firmenchefs am Telefon lautete: Sein Mitarbeiter liege im Krankenhaus, er habe beim Rasenmähen in unserem Garten einen allergischen Schock erlitten. Am nächsten Mittwoch komme ein Ersatzmann. Dann werde alles gut. Donnerstag: Die Teppiche waren trotzdem nicht gesaugt. Der Chef: Der Schlüssel zum Haus habe gefehlt, sie seien nicht reingekommen. Aber nächste Woche: versprochen, alles tippitoppi.

 

Großer Quatsch – nichts passierte. Diesmal schickte die Firma per Mail Fotos, die dokumentieren sollten, dass unser Haus glänzte. Seltsamerweise war darauf der braune Teppich in unserem Flur grün. Ach, Entschuldigung hieß es da – der Mitarbeiter habe die Firma hinters Licht geführt und Bilder eines anderen Gebäudes geschickt. Man werde ihn feuern. Nächste Woche: aber ganz bestimmt alles superprima!

 

Die Sache begann mich aus einem anderen Grund zu interessieren. Ab Anfang 2015 gilt das neue Mindestlohn-Gesetz. Alle Beschäftigten sollen minimal 8,50 Euro pro Stunde bekommen, von Ausnahmen abgesehen. Wieviel sein Mitarbeiter verdiene, fragte ich also den Chef beim nächsten Telefonat. Natürlich Gebäudereiniger-Mindestlohn, schwor der, das sei er seinen Leuten doch schuldig. Unser Putzmann erhielt angeblich 9,31 Euro pro Stunde brutto.

 

Stimmt das?, erkundigte ich mich bei diesem persönlich, als er tatsächlich mal auftauchte. Mittlerweile klappt der Dienst wieder, sagen wir, so lala. Informationen zur Bezahlung dürfe er nicht verraten, nur so viel: Die Fahrzeiten von Haus zu Haus, von einem Berliner Bezirk in den anderen, plus die Kosten seines Autos, seien sein Privatvergnügen.

 

Kein Wunder, dachte ich, dass die Leute hinschmeißen. Oder zwei Stunden auf den Kontrollzettel schreiben, wenn sie nur 30 Minuten da sind. Die Arbeit ist schlecht, weil der Lohn zu schlecht ist.

 

Wie doof kann so ein Reinigungsunternehmer eigentlich sein? Doppelte Bezahlung würde bei unserem Haus mit 80 Euro monatlich zu Buche schlagen. Geteilt durch zwölf Wohnungen – die sieben Euro mehr überweise ich doch gerne, wenn ich weiß, dass sie bei dem Beschäftigten ankommen und der seine Arbeit vernünftig macht.

 

Warum sagt der Chef nicht mal zu uns: Leute, Ihr habt doch genug Geld. Das wäre ungewöhnlich, gar dreist. Aber er hätte Recht. Auf diese Idee kommt er aber nicht, wahrscheinlich wegen des allgemeinen Billig-Billig. Er hat Angst, den Auftrag zu verlieren. Der gesetzliche Mindestlohn müsste viel höher sein als 8,50 Euro. Diese Untergrenze ändert an unserem Problem gar nichts.

 

Aber auch wir könnten den Reinigungsunternehmer fragen, ob wir ihm nicht mehr bezahlen dürfen. Vielleicht bringe ich den Antrag in die nächste Wohnungseigentümerversammlung ein. Bin gespannt, was die Nachbarn sagen.

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