Bluttests in vielen Firmen
Mehr Unternehmen als bekannt führen bei Stellenbewerbern Bluttests durch - unter anderem das Kosmetik-Unternehmen Beiersdorf und der Arzeneimittel-Konzern Merck.
29. Okt. 2009 –
Wie Beschäftigte berichten, ist Beiersdorf in Hamburg eine der Firmen, die regelmäßige Blutuntersuchungen durchführen. Nach Angaben eines Stellenbewerbers wurde er 2005 im Rahmen des Bewerbungsverfahrens und einer umfangreichen betriebsärtzlichen Untersuchung auch zu einem Bluttest gebeten. Die Betriebsärztin von Beiersdorf habe dies auf Nachfrage als „Standardprozedere“ bezeichnet, sagte der Bewerber, der anonym bleiben will. Nach seinen Angaben fand der Test auch bei anderen Mitbewerbern statt.
Beiersdorf-Sprecherin Claudia Fasse bestätigte, dass seit Jahren „jeder Bewerber“, der gute Aussichten auf eine Stelle im Unternehmen habe, auch im Hinblick auf seine Blutwerte getestet werde. Dabei untersuche der betriebsärztliche Dienst nur die Werte, die auch bei einer normalem hausärtzlichen Untersuchung getestet würden. Diagnosen „auf Schwangerschaft, Aids, Drogen, Gendefekte und Tumore“ gehörten nicht dazu, so Fasse.
Auch beim Darmstädter Arzeneimittel-Unternehmen Merck sind Bluttests Standard. Ein Bewerber für eine Verwaltungstätigkeit, der ebenfalls anonym bleiben will, musste sich im Bewerbungsverfahren im Juni 2009 einem solchen Test unterziehen. Er sagte, man habe ihn gebeten, eine Einverständniserklärung zu unterschreiben. „Aus dem rechten Arm“ seien ihm „zwei Ampullen Blut“ abgezapft worden. Auf seine Frage, welche Relevanz seine Blutwerte für die sitzende Tätigkeit im Büro hätten, habe ihm der Betriebsärzt geantwortet, derartige Bluttests würden seit „sechs Jahren regelmäßig“ durchgeführt. Merck-Sprecher Gangolf Schrimpf bestätigt: „Bei allen Bewerbern in der engeren Wahl führen wir Bluttests durch“.
Rechtlich betrachtet, nutzen die Unternehmen einen weiten Spielraum. Gerichtsurteile über die Rechtmäßigkeit von Bluttests bei Arbeitnehmern gibt es bislang kaum. In manchen Berufen, in denen Gesundheit und körperliche Leistungsfähigkeit eine besondere Bedeutung haben, sind Gesundheitstests zwar vorgeschrieben, sagt Jon Heinrich, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Berliner Kanzlei Mayr. Dies gelte beispielsweise für Köche in Restaurants, Piloten und Ärzte.
In allen anderen Berufen dürften die Unternehmen aber nur die Gesundheitsuntersuchungen vornehmen, „die unbedingt erforderlich sind“, so Heinrich. „Die Bewerber und Arbeitnehmer brauchen nur die nötigsten Informationen zu ihrer Gesundheit zu liefern“, sagt auch Martina Perreng, Arbeitsrechtsexpertin beim Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), „und das sind in der Regel keine“. Hier gelte der Datenschutz-Grundsatz, dass jeder Bürger das „Recht auf die Nichtoffenlegung seiner Daten“ habe, so Perreng.
Die entscheidende Frage aber ist immer: Was erscheint wirklich „notwendig“? Gewerkschaftsfrau Perreng zieht den Kreis sehr eng. „Nur in wenigen Ausnahmefällen kann man sagen, dass gravierende Einschränkungen einen Arbeitnehmer daran hindern, seinen Beruf auszuüben. Nur solche Informationen darf das Unternehmen beanspruchen“. Als Beispiel nennt sie den Fall eines Schlosser-Lehrlings, der epileptische Anfälle erlitt. Wegen der Gefahr im Umgang mit Maschinen konnte die Firma die Ausbildung beenden.
Die Firmen definieren ihre Möglichkeiten dagegen wesentlich großzügiger. Beiersdorf wolle sicherstellen, dass die „Leistungsfähigkeit der Beschäftigten den Anforderungen ihrer Arbeit entspricht“, so Sprecherin Fasse. Die Mitarbeiter seien häufig auf Auslandsreisen und müssten sich deshalb oft impfen lassen. Die Überprüfung der Blutwerte zeige, ob die Beschäftigten die Impfungen vertrügen, so Fasse. Das Unternehmen legt Wert auf die Feststellung, dass die Daten nur dem Beschäftigten selbst und dem ärtzlichen Dienst bekannt seien. „Es ist kein Fall bekannt, dass ein Bewerber wegen seiner Blutwerte abgelehnt wurde“, sagt die Beiersdorf-Sprecherin.
Das Pharma-Unternehmen Merck begründet die Notwendigkeit der Bluttests unter anderem mit Vorschriften der Berufsgenossenschaft. So müssen manche Arbeiter in der Medikamenten-Produktion Atemschutzmasken tragen. Die Untersuchung soll Hinweise darauf liefern, ob der Beschäftigte diese Belastung verträgt, sein Herz gut funktioniert und sein Blutkreislauf genügend Sauerstoff transportiert.
Notwendig oder nicht? Auf diese Frage sind verschiedene Antworten möglich. Doch den Bewerbern, die gerne einen bestimmten Job hätten, ist mit solchen Erwägungen nicht geholfen. Wer einen Bluttest verweigert, riskiert, aus dem Rennen auszuscheiden. Deswegen akzeptieren fast alle diese Prozedur, auch wenn sie überflüssig und sinnlos erscheint.