Brüssel drängt auf Stromreform

Rabatte für Stromkosten bei ThyssenKrupp, Vergünstigungen für deutsche Windkraftwerke – die Europäische Kommission will dagegen vorgehen

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Von Hannes Koch

17. Dez. 2013 –

Die IG Metall, die Kollegen von der Chemiegewerkschaft und auch der Betriebsrat von ThyssenKrupp Stahl stehen schon an den Startblöcken. Man bereitet Erklärungen und Proteste gegen die EU-Kommission vor. Denn Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia eröffnet am Mittwoch ein Beihilfeverfahren - unter anderem um die Rabatte von deutschen Industrieunternehmen bei der Ökostromförderung zu überprüfen.

 

Gefahr für Arbeitsplätze?

Detlef Wetzel, Chef der Metallgewerkschaft, befürchtet die „Entindustrialisierung Deutschlands“ und sieht hunderttausende Stellen bedroht. Stahlunternehmen wie ThyssenKrupp erwarten Belastungen in Millionenhöhe. Was bei dem Verfahren herauskommt, ist allerdings noch längst nicht klar.

 

Der Kern des Verfahrens

In seinem rund 50seitigen Schreiben, das dieser Zeitung vorliegt, formuliert EU-Kommissar Almunia Zweifel, ob das deutsche Gesetz über den Vorrang Erneuerbarer Energien nicht den freien Wettbewerb stört. Dann verstieße es gegen EU-Recht. Dabei geht es um die gesamte Struktur des Gesetzes: Sonnen- und Windkraftwerke in Deutschland bekommen für jede ins Netz eingespeiste Kilowattstunde Strom einige Cent Vergütung, die die Verbraucher zusätzlich zum normalen Elektrizitätspreis als Umlage bezahlen. Dieses Geld fließt an die Ökokraftwerke, um deren höhere Produktionskosten auszugleichen. Das Ziel: mehr sauberer Strom, mehr Klimaschutz. Aber Almunias Mitarbeiter befürchten dabei eine Benachteiligung ausländischer Stromproduzenten. Wenn ein niederländisches Ökokraftwerk beispielsweise Strom in Deutschland verkauft, wird auch dieser durch die Ökoumlage verteuert. Von den Einnahmen profitiert der ausländische Anlagenbetreiber jedoch nicht.

 

Umstrittene Ausnahmen

Der zweite zentrale Frage betrifft die Ausnahmen, die rund 2.800 deutsche Unternehmen bei der Ökostromumlage genießen. Sie sind teilweise davon befreit, weil sie als „energieintensiv“ gelten. Ihre Stromkosten sollen niedrig bleiben und ihre Jobs geschützt werden. Aber auch das könnte eine Verzerrung des Wettbewerbs darstellen, argwöhnt die EU-Kommission. Die Logik: Die Ökostrom-Fördersysteme in anderen europäischen Länder weisen teilweise geringere Ausnahmen für die energieintensive Industrie auf. Ausländische Firmen wären also gegenüber deutschen benachteiligt. Ein zweiter Punkt: Durch das steigende Angebot der geförderten erneuerbaren Energien sinkt der Preis an der deutschen Strombörse. Davon profitieren in erster Linie einheimische Firmen. Diese Vergünstigung verstärkt die Wirkung der Ausnahmen und bevorteilt die deutsche Industrie gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten.

 

Die Zukunft des Gesetzes

Unklar ist, ob Almunia das Erneuerbare-Energien-Gesetz grundsätzlich verändert sehen will. Dagegen spricht, dass die EU-Kommission die österreichische Ökostromförderung vor einigen Jahren zwar als staatliche Beihilfe einstufte, sie aber mit einigen Ergänzungen trotzdem genehmigte. Andererseits will Almunia bald auch Leitlinien vorlegen, wie die künftige Unterstützung für Energie aus erneuerbaren Quellen in Europa aussehen darf. Auf feste Fördersätze wie heute in Deutschland folgen dann vielleicht flexiblere und niedrigere Marktprämien. Außerdem denken viele Experten darüber nach, wie man die staatliche Förderung so ausschreiben kann, dass der jeweils günstigste Ökostromanbieter den Zuschlag bekommt. An diesen Ausschreibungen könnten sich dann auch ausländische Bewerber beteiligen.

 

Folgen für die Industrie

Gegen staatliche Beihilfen für die Wirtschaft hat die EU-Kommission dann nichts einzuwenden, wenn ihr außergewöhnliche Belastungen gegenüberstehen. Ein Beispiel: Rabatte bei der Stromsteuer für energieintensive deutsche Firmen sind okay, weil die Firmen sich andererseits gegenüber der Bundesregierung verpflichten, ihre Energieeffizienz zu erhöhen. Will die Bundesregierung die Ausnahmen von der Ökoumlage also beibehalten, müsste sie der Industrie etwa zusätzliche Maßnahmen für den Klimaschutz auferlegen. Davon abgesehen werden wohl einige Unternehmen eine höhere Ökostromumlage zahlen müssen als heute.

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