Bürger begehren auf gegen Stromleitungen
Netzbetreiber veröffentlichen kritische Stellungnahmen zur Trassenplanung
20. Jul. 2012 –
Viele Bürger glauben nicht an den Sinn der neuen Windparks auf dem Meer. Deshalb sprechen sie sich dagegen aus, tausende Kilometer neuer Stromleitungen durch Deutschland zu bauen. Das ist ein Hauptargument der rund 1.500 Stellungnahmen im Planungsverfahren für die künftigen Trassen. Ein guter Teil der Einwände, die Bürger und Organisationen in den vergangenen Monaten eingereicht haben, werden am Montag (23.7.) veröffentlicht.
Die vier Betreiberfirmen des Höchstspannungsnetzes für Strom schlagen vor, vier große Leitungen von der Nord- und Ostsee nach Süddeutschland zu bauen. Hinzu kommt eine Reihe kleinerer Projekte. Die Kabel sollen in erster Linie dazu dienen, den Strom aus den künftigen Meereswindparks in südliche Ballungszentren wie München und Stuttgart zu leiten.
Die Netzunternehmen mussten ihre Pläne laut Gesetz veröffentlichen. Alle Bundesbürger konnten sich in das Verfahren einschalten. Aber nur rund 1.500 Personen und Organisationen haben das getan.
Einer der Einwender ist Hartmut Lindner von der Bürgerinitiative „Biosphäre unter Strom“ im brandenburgischen Chorin. Seine Position fasst er so zusammen: „Wenn man die dezentrale Stromproduktion stärker berücksichtigte, nähme der Bedarf für den Ausbau des Netzes ab.“ Lindner meint, die Bundesregierung und die privaten Netzunternehmen würden die Potenziale der erneuerbaren Energien an Land systematisch unterschätzen.
Ähnlich sieht das Volker Quaschning, Professor der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Er meint, die Regierung liege falsch, wenn sie für das Jahr 2050 nur mit einer Stromerzeugungskapazität der Solarenergie von bis zu 79 Gigawatt (79 Milliarden Watt) rechne. Weil die Kosten der Solarproduktion sänken, der Preis konventionell erzeugten Stroms hingegen weiter steige, werde es für die Bundesbürger immer attraktiver, eigene Sonnenkraftwerke zu installieren. Quaschning hält deshalb eine Solarerzeugung von bis zu 200 Gigawatt im Jahr 2050 für möglich. Seine Schlussfolgerung: Bei einem solchen Szenario seien die geplanten Nord-Süd-Höchstspannungsleitungen mindestens teilweise überflüssig. Deutschland brauche nicht so viel Windstrom vom Meer, wie die Regierung annehme.
Weitere Gegenargumente betreffen den Umweltschutz. Beispielsweise Aktivist Lindner kritisiert, dass eine geplante Leitung in Brandenburg mit 350 Masten drei Naturschutzgebiete durchschneide, darunter das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin.
Andere Bürger beklagen die Beeinträchtigung ihres unmittelbaren Wohnumfeldes. So verlangt eine Familie aus Schwentinental südlich von Kiel eine „Alternative zu der geplanten 380-Kilovolt-Freileitung“. Die Trasse in der Nachbarschaft ihres Dorfes werde die „Lebens- und Wohnqualität“, sowie „Räume für Wildtiere zerstören“. Familien aus dem niedersächsischen Meppen und Hannover fürchten Leitungen, die direkt an ihren Grundstücken vorbeiführten. Wenn überhaupt, solle man die Trassen parallel zu Autobahnen und Bahnlinien bauen.
Die Stellungnahmen der Bürger sind für die Netzbetreiber nicht bindend, Diese und die Bundesnetzagentur als Genehmigungsbehörde müssen sie allerdings nachvollziehbar würdigen. Die veröffentlichten Kommentare finden sich ab Montag auf www.netzentwicklungsplan.de.