Bürgerbeteiligung statt Symbolik

Kommentar zur Partizipation beim Stromtrassenbau von Hannes Koch

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Von Hannes Koch

16. Aug. 2012 –

In dem skurrilen Roman per „Anhalter durch die Galaxis“ teilen außerirdische Lebewesen den Menschen mit, dass die Erde in Kürze gesprengt werde. Aufregung zwecklos - schließlich hätten die Planungsunterlagen jahrelang auf einem entfernten Planeten zur Einsicht ausgelegen. Lustige Geschichte? So ähnlich könnte es der Mehrheit der Deutschen auch beim Bau der neuen Hochspannungsleitungen für die Energiewende gehen.

Vorweg: Hochspannungsmasten und Starkstromkabel sind keine Atomkraftwerke oder Chemiefabriken. Den allermeisten Menschen gelingt es, in ihrer Nachbarschaft gut zu leben. Aber manche Zeitgenossen mögen sie eben nicht. Weil die Bundesregierung das weiß, gibt es ein neues Verfahren zur Bürgerbeteiligung beim Stromleitungsbau. Möglicherweise jahrelange Proteste sollen damit vorbeugend ausgeräumt werden.

Theoretisch ist das eine gute Idee, praktisch aber klemmt das Verfahren. Das fängt damit an, dass fast niemand von seiner Existenz und den einzelnen Schritten weiß. Warum bloß? Weder die Bundesregierung, noch die Netzbetreiber oder die Umweltverbände haben genug Werbung gemacht. Offensichtlich sind die Experten gewohnt, unter sich zu bleiben. Eine neue Kultur der Partizipation wächst erst langsam – selbst nach dem Riesenstreit um den Bahnhof Stuttgart 21.

Das gilt auch für die Bürger. Was interessiert einen Pfälzer eine Höchstspannungstrasse, deren Bau in einigen Jahren an der Nordseeküste beginnt? Erst, wenn die Bautrupps in seiner Heimat ankommen, mag ihm auffallen, dass er die Gelegenheit zur Beteiligung verpasst hat. Politiker-Bashing hilft angesichts solcher, allzu menschlichen Verhaltensweisen, nicht viel. Eher sollte man über neue Mitwirkungsformen nachdenken, die Bürger dazu bewegen, ihre Interessen wahrzunehmen. Ansätze aleatorischer Demokratie (lateinisch: alea, der Würfel), bei der Bürger für bestimmte Aufgaben ausgelost werden, könnten beitragen, dass Partizipation verbindlicher ausgeübt wird.

Aber der Bau von Stromleitungen beinhaltet auch eine Machtfrage. Das Netz entscheidet mit darüber, welcher Strom aus welchen Quellen an welchem Ort eingespeist werden kann. Solarstrom aus Bayern oder von den Dächern des südwestlichen Markgräflerlandes, Windstrom von der Nordsee, Braunkohleenergie aus NRW und Brandenburg? Darüber bestimmt, wer das Netz kommandiert. Deshalb haben die Stromfirmen kein großes Interesse daran, dass ihnen die Bürger reinreden. Jene produzieren und verteilen lieber zentral, mit der Demokratisierung der Energieherstellung haben sie nichts am Hut.

Für Bürger, Initiativen und die Zivilgesellschaft kann es nur einen Ausweg aus dieser Falle geben: Druck auf die Firmen und die Regierung, dass berechtigte Einwände und Stellungnahmen ernstgenommen und nicht abheftet werden. Einige Renovierungen des Verfahrens scheinen ebenso notwendig zu sein: Sechs Wochen Zeit reichen für Bürger und Verbände kaum, um fundiert Stellung zu einem so komplexen Vorhaben wie dem Ausbau des Energienetzes zu nehmen. Der Zeitraum für die Einwände muss verlängert werden. Echte Bürgerbeteiligung darf sich nicht in Symbolik erschöpfen.

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