Bußgeld statt Alkoholverbot

Bahn hält promillefreien Nahverkehr für nicht durchsetzbar / Stattdessen soll Sanktion gegen Randalierer ermöglicht werden

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Von Wolfgang Mulke

03. Mai. 2012 –

Die Deutsche Bahn hält ein bundesweites Alkoholverbot in den Zügen für den falschen Weg im Kampf gegen Randalierer, Pöbeleien und körperliche Übergriffe. „Wir halten ein Konsumverbot für nicht zielführend“, sagt der Rechtsvorstand des Konzerns, Gerd Becht. Die ersten Erfahrungen aus Hamburg und München bestätigen nach seiner Einschätzung die Bedenken. Es habe weder weniger Belästigungen gegeben, noch seien die Züge nun sauberer. Die Fahrgäste der Verkehrsverbünde beider Städte müssen seit einigen Monaten auf Bier oder Schnaps auf der Fahrt verzichten. 1,6 Millionen Euro gibt allein Hamburg für die Überwachung des Verbots aus. Denn die Kosten dafür kann die Bahn an die jeweiligen Verbünde und damit letztlich den Steuerzahler weiterreichen.


Laut Becht spielt Alkohol bei den von vielen Fahrgästen beklagten Zwischenfällen in den Zügen oder auf den Bahnhöfen nur eine untergeordnete Rolle. In weniger als jedem zwanzigsten Fall von Körperverletzung seien die Täter betrunken. Außerdem verzeichnet die Bahn durch den verstärkten Einsatz von Sicherheitspersonal bereits rückläufige Fallzahlen. Im vergangenen Jahr sank die Zahl der körperlichen Übergriffe auf andere Fahrgäste um elf Prozent auf 1886. Die Zahl der Sachbeschädigungen ging um 13 Prozent auf knapp 14.000 zurück. Täglich fahren 5,3 Millionen Kunden mit der Bahn.


Dagegen hat sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte sich dagegen kürzlich für ein Alkoholverbot auf Bahnhöfen und in Zügen eingesetzt. Die Gewerkschaft beklagt im Gegensatz zur Bahn eine zunehmende Zahl von Angriffen auf Polizisten. Mehr als 1.200 Beamte wurden im vergangenen Jahr mit Fußtritten oder Faustschlägen traktiert. In mehr als der Hälfte der Fälle hatten die Angreifer zuvor zur Flasche gegriffen.


Die Bahn ficht die Probleme zwar nicht an, sieht aber eine generell sinkende Hemmschwelle für Gewalttaten dafür als tieferen Grund an. Während der Fahrten oder an den Stationen würden Fußball- oder Rockfans kaum etwas trinken. Das Geschehe schon im Vorfeld der Abreise irgendwo anders, oft schon zuhause, erläutert Becht. Außerdem befürchtet die Bahn, dass ein Verbot womöglich von den Gerichten gekippt werden könnte. Denn allein Trunkenheit sei noch kein Grund, Fahrgäste vom Bahngelände zu vertreiben.


„Wir haben im Moment keine Handhabe, um gegen alkoholbedingte Störungen vorzugehen“, kritisiert Becht. Das könne der Bund als Gesetzgeber aber ändern. Die Bahn schlägt vor, dass es zur Ordnungswidrigkeit wird, wenn Fahrgäste den Anweisungen des Zugpersonals nicht folgen. Fußballfans, die trotz Aufforderung zu einem gesitteren Verhalten, weit grölen, müssten dann mit einem Bußgeld rechnen. 30 bis 40 Euro schwebt Becht als Größenordnung vor. Derzeit ernten die Bahner nur Gelächter, wenn sie Störer zu einem anderen Verhalten auffordern. Über eine entsprechende Gesetzesänderung spricht die Bahn bereits mit den zuständigen Ministerien. Sie könnte noch vor der Bundestagswahl 2013 in Kraft treten. Das Verkehrsministerium steht Änderungen „grundsätzlich aufgeschlossen“ gegenüber. Sie müssten jedoch auf ihre Praxistauglichkeit hin überprüft werden, teilte ein Sprecher mit.




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