Cannabis aus dem Klub
Bundestag gibt Droge kontrolliert frei
23. Feb. 2024 –
Für Deutschland ist es ein historischer Tag. Der Bundestag legalisiert an diesem Freitag Cannabis für Erwachsene. Polizei und Gerichte sollen entlastet, der Schwarzmarkt zurückgedrängt, die Menschen besser aufgeklärt werden. Und für die Firmen, die die Pflanzen in Deutschland als Basis für Medikamente anbauen, wird es deutlich einfacher.
Worum geht es?
Das Cannabisgesetz regelt zwei Bereiche neu: zum einen den privaten Anbau und Konsum, der bisher illegal ist, zum anderen den heimischen Anbau für medizinische Zwecke, der derzeit nur unter sehr strengen Auflagen möglich ist. „Mit dem Gesetz werden Konsumenten entkriminalisiert. Das ist gut und war überfällig“, sagt Jürgen Neumeyer, Geschäftsführer des Branchenverbands Cannabiswirtschaft. Die Bundesregierung beziffert die Entlastung allein für Polizei und Justiz auf mehr als 230 Millionen Euro.
Was ist Privatpersonen künftig erlaubt?
Wer älter als 18 ist, darf bis zu 25 Gramm Cannabis bei sich tragen. Zu Hause dürfen bis zu 50 Gramm gelagert werden. Auch der Konsum in der Öffentlichkeit wird erlaubt, in Sichtweite von Kitas, Schulen, Sportstätten bleibt er aber verboten. Sichtweite bedeutet ungefähr 100 Meter. Anbau für den Eigenbedarf ist möglich. Zulässig sind je Erwachsenem bis zu drei Pflanzen, die in der Wohnung, auf dem Balkon, im Garten, im Gewächshaus oder im Wochenendhaus stehen können. Es muss sichergestellt sein, dass die Pflanzen nicht öffentlich zugänglich sind. An Minderjährige darf nichts weitergegeben werden.
Wo bekomme ich Cannabis?
Weil kommerzieller Anbau und Verkauf wegen EU-Recht nicht möglich ist, sieht das Gesetz neben dem Eigenanbau nichtgewerbliche Anbauvereinigungen vor, etwa als Verein oder Genossenschaft.
Wie funktionieren die Anbauvereinigungen?
Die Vereinigungen, auch Klubs genannt, dürfen bis zu 500 Mitglieder mit deutschem Wohnsitz haben und Cannabis für diesen Personenkreis zum Eigenverbrauch anbauen. Abgegeben werden dürfen pro Mitglied täglich 25 Gramm, im Monat höchstens 50 Gramm – eine recht große Menge. Mitglieder im Alter von 18 bis 21 Jahren dürfen nur 30 Gramm monatlich beziehen. Minderjährige dürfen nicht aufgenommen werden und auch kein Cannabis bekommen. Die Bundesregierung rechnet mit bis zu 3000 solcher Vereinigungen. Mitgliedschaft ist nur in einer einzigen möglich. Der Staat soll die Klubs überwachen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Qualität des Cannabis aus den Klubs besser ist als auf dem Schwarzmarkt, wo der Stoff zum Teil gestreckt ist und der Gehalt an Wirkstoffen stark schwankt. Nach einer Umfrage des Branchenverbands dürften die Preise je Gramm bei sieben bis acht Euro liegen. Auf dem Schwarzmarkt sind es um die zehn Euro.
Was ist mit Gerichtsverfahren wegen Besitz und Konsum von Cannabis?
Für Vergehen, die nach dem neuen Gesetz nicht mehr strafbar sind, ist ein Straferlass vorgesehen – vorausgesetzt, sie sind noch nicht vollstreckt.
Welche Wirkstoffe hat Cannabis?
Zwei wesentliche Inhaltsstoffe: THC und CBD. THC lindert Schmerzen, entspannt und löst Rausch aus. Es unterlag bisher dem Betäubungsmittelgesetz (BTM). Der THC-Gehalt in Pflanzen liegt in der Regel zwischen drei (einfacher Anbau) und mehr als 20 Prozent (Medizinal-Cannabis). CBD soll beruhigen und entkrampfen. Es gibt verschreibungspflichtige Arzneimittel mit dem Stoff. Im Handel sind auch frei erhältliche Produkte , deren Nutzen aber umstritten ist.
Was ist der Unterschied zwischen Medizinal-Cannabis und Cannabis für den privaten Gebrauch?
Medizinal-Cannabis unterliegt den strengen Anforderungen an Medikamente. Die Anbauer müssen sicherstellen, dass der Wirkstoffgehalt immer gleich ist. Deshalb wachsen die entsprechenden Pflanzen in klimatisierten Räumen mit künstlicher Versorgung und künstlichem Licht. Freizeitcannabis dagegen unterliegt keinen Regeln. Allerdings werden die Klubs versuchen, möglichst gleichbleibende Qualität zu liefern.
Wofür wird das Medizinal-Cannabis verwendet?
Der Stoff, etwa als Blüten, wird hauptsächlich als Schmerzmittel eingesetzt, vor allem bei Personen, deren starke Schmerzen nicht mehr mit herkömmlichen Opiaten behandelt werden können.
Was ändert sich bei Medizinal-Cannabis?
„Mit dem Gesetz entfallen das komplizierte Vergabeverfahren und die Anbauquoten. Die zuständige Behörde Bfarm in Bonn muss die Produktion zwar immer noch genehmigen, aber es wird insgesamt einfacher“, sagt Constantin von der Groeben, Co-Chef des deutschen Anbauers Demecan. Und der Status als Betäubungsmittel entfalle. „Patienten müssen immer noch zum Arzt, um sie Cannabis-Produkte verschreiben zu lassen, aber die aufwändige Bürokratie mit besonderen Rezepten entfällt.“
Wer baut in Deutschland an?
In Deutschland bauen bisher drei Unternehmen Medizinal-Cannabis in Hochsicherheitsgebäuden an: der kanadische Konzern Aurora in Leuna, Sachsen-Anhalt, der ebenfalls kanadische Konzern Aphria im schleswig-holsteinischen Neumünster und der deutsche Hersteller Demecan im sächsischen Ebersbach. Die drei Firmen haben jeweils eine Lizenz der Cannabisagentur beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm). Insgesamt dürfen vier Jahre lang in Deutschland jedes Jahr 2,6 Tonnen Medizinal-Cannabis angebaut werden. Der Bedarf lag zuletzt bei 20 bis 24 Tonnen. Die Lücke wird bisher durch Importe geschlossen. Der Markt hat nach Untersuchungen des Statistikportals Statista zuletzt ein Volumen von rund 300 Millionen Euro. Tendenz stark steigend.
Was macht die Cannabisagentur?
Sie kauft die gesamte deutsche Produktion und verkauft sie an Großhändler und Apotheker. Das Frankfurter Unternehmen Cansativa übernimmt dafür im Auftrag die Logistik. Angekauft wird zum Festpreis von 5,80 Euro je Gramm.
Ab wann gilt das Gesetz?
Das Gesetz soll zum 1. April 2024 in Kraft treten, die Regeln für die Klubs folgen zum 1. Juli.
Was sagen die Kritiker?
CDU und CSU lehnen das Gesetz ab und fordern, mehr über die Risiken von Cannabis aufzuklären. Sie fürchten, dass der Konsum bei Freigabe steigt – ein Trend, den es allerdings seit Jahren gibt. Die AFD ist ebenfalls gegen das Gesetz. Kritik kommt auch von Befürwortern. „Das Gesetz kann nur ein erster Schritt sein bei der Legalisierung“, sagt Branchenverbands-Chef Neumeyer. Er vermutet auch, dass sich der Schwarzmarkt allein mit der legalen Selbstversorgung nicht zurückzudrängen ist. Ursprünglich war geplant, auch kommerziellen Anbau und Verkauf von Cannabis zu Konsumzwecken in Modellregionen zuzulassen. Es wäre ein Versuch gewesen, das EU-Verkaufsverbot zu umgehen. Bisher sind die Pläne dafür aber vage.