Christliche Vision und fragwürdiger Lohn

Geranien im Blumenkasten? Arbeiterinnen in El Salvador erhalten 30 Cent pro Arbeitsstunde, sagt Kritiker Maik Pflaum

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Von Hannes Koch

28. Apr. 2013 –

Draußen ist es kalt. Aber dem alten Herrn Dümmen geht die Sache wohl an die Ehre. Kurz vor Weihnachten setzt sich der 71Jährige in den Zug, um seine Kritiker zu besuchen - die Christliche Initiative Romero in Nürnberg. Dort hat Maik Pflaum, ein sanfter Mensch, harte Worte gefunden für die Art, wie Günter Dümmens Firma ihr Geld verdient. Kurz gesagt, lautet der öffentliche Vorwurf: Dümmen lasse in El Salvador hunderte Frauen für Löhne arbeiten, von denen man eigentlich nur verhungern kann.


Dümmen ist Christ. Er gehört einer evangelischen Freikirchengemeinde an. Die Firma der Familie, die jetzt unter dem Namen des Sohnes firmiert, bekennt sich zu ihrer „Verantwortung vor Gott“. So steht es auf der Internetseite unter der Überschrift „Vision“. Mit Rechercheur Pflaum möchte Dümmen eine Verständigung erzielen. Doch die beiden können den Graben nicht überbrücken.


Ist die Pflanzenzuchtfirma Dümmen ein weiteres Beispiel dafür, wie deutsche Unternehmen mit gnadenlos schlechten Arbeitsverhältnissen in Entwicklungsländern einen guten Schnitt machen? Pflaum sagt: „Ja, so ist es.“ Bei Dümmen im nordrhein-westfälischen Rheinberg weist man die Vorwürfe dagegen weit von sich.


Was stimmt? Maik Pflaum (43) sprich bestens Spanisch. In Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen war er schon häufig in Lateinamerika. Lange hat er persönlich mit Arbeiterinnen der Dümmen-Plantage „Las Mercedes“ in El Salvador geredet. Für das deutsche Unternehmen pflegen, beschneiden und verpacken sie kleine Pflanzen, die unter anderem von hiesigen Gärtnereien und Baumärkten an die Kunden verkauft werden. Wer jetzt im April Geranien in seinen Blumenkasten pflanzt, hat gute Chancen, welche aus Dümmens Treibhäusern zu bekommen.


Millionen Stecklinge produzieren die 1.000 meist weiblichen Beschäftigten in Las Mercedes pro Jahr. Pflaums Angaben zufolge erhalten viele 3,50 US-Dollar am Tag, was auf etwa 40 US-Cent pro Stunde hinausläuft (2,69 Euro/ 30 Euro-Cent). Der Lohn eines Monats summiere sich auf 105 Dollar brutto, bei hoher Akkord-Leistung auf maximal 150 Dollar.


El Salvador ist ein armes Land. Aber auch dort kostet das Leben Geld. Den Grundbedarf einer vierköpfigen Familie bezifferte die staatliche Statistikbehörde für 2009 mit 762 Dollar pro Monat. So stellt sich die Frage, wie eine Familie überleben soll, wenn die Mutter mit Vollzeitarbeit bei Dümmen höchstens ein Fünftel dieses Betrages erwirtschaftet. Um dieses Manko auszugleichen, müsste der Vater einen sehr gut bezahlten Job haben – in vielen Fällen unrealistisch.


Die Firma Dümmen stellt die Angelegenheit mit Hilfe der von ihr engagierten Kommunikationsfirma Steinkühler-Com so dar: In der Tat betrage „das Basisgehalt 105 Dollar“. Mit Zuschlägen würden die Beschäftigten jedoch „durchschnittlich 140 Dollar“ erhalten. Und durch Bonuszahlungen steige der Bruttoverdienst „in den drei Saisonmonaten auf durchschnittlich 170 Dollar im Monat“. Im Übrigen, so argumentiert die Firma, verwende Kritiker Pflaum den falschen Maßstab. Das offizielle „Existenzminimum in El Salvador“ betrage gegenwärtig „pro Familie 126 Dollar“. Der Lohn der Arbeiterinnen würde also deutlich über dieser Grenze liegen.


„Falsch“, entgegnet Pflaum. Der Warenkorb, den Dümmen heranziehe, beschreibe kein Existenzminimum, sondern nur die notwendigen Kosten für wenige Grundnahrungsmittel. Der erweiterte Warenkorb von über 700 Dollar hingegen, auf den der Kritiker verweist, enthalte demgegenüber auch nötige Ausgaben für Unterkunft, Gesundheit, Kleidung und Bildung.


Mittlerweile hat das Familienunternehmen Dümmen gemerkt, dass es so nicht weitergeht. Kommunikationsexperte Karl-Heinz Steinkühler erklärt, dass eine unabhängige Gutachterin nach Las Mercedes gereist sei, um die Verhältnisse vor Ort zu recherchieren. Die Ergebnisse würden „zur Zeit intern ausgewertet“.


Protest-Emails kann man hier abschicken: http://www.ci-romero.de/konsum_blumen/

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