D-Mark kostet Millionen Arbeitsplätze
Kann Deutschland angesichts der Euro-Krise zur alten Währung zurückkehren?
03. Aug. 2012 –
Viele Bürger sind von der Euro-Krise zunehmend genervt. Sie fragen sich: Wäre es nicht besser, wenn wir die offenbar missratene Währungsunion beendeten und zur alten, guten, harten D-Mark zurückkehrten? Dann müssten wir uns nicht mehr mit den Griechen, Spaniern, Italienern und ihren Schulden herumschlagen. Wie aber würden die Dinge ablaufen, wenn Deutschland seine DM zurückholte?
Michael Heise, der leitende Ökonom der Allianz-Versicherung, hat dafür ein Szenario entworfen. Er prognostiziert einen Rückgang des Wirtschaftswachstums um jeweils etwa fünf Prozent über mehrere Jahre. Die deutsche Wirtschaft würde also nicht mehr wachsen, sondern schrumpfen. Drei Jahre nach der Rückkehr zur D-Mark wäre unsere Ökonomie 15 Prozent kleiner als vorher.
Was bedeutet das? Einer ökonomischen Faustformel zufolge entscheidet jedes Prozent BIP-Wachstum pro Jahr über ein Prozent aller Arbeitsplätze, also rund 400.000 Stellen. Angesichts eines Verlustes von 15 Prozent müsste man demnach mit sechs Millionen mehr Arbeitslosen rechnen. Die gegenwärtig knapp drei Millionen Arbeitslosen addiert, würden dann neun Millionen Menschen in Deutschland einen Arbeitsplatz suchen. Einen derartigen Zustand hat Deutschland seit 60 Jahren nicht ansatzweise erlebt.
Die Wirtschaftsleistung Deutschlands würde stark zurückgehen, so Allianz-Ökonom Heise, weil die Rückkehr zur D-Mark eine fatale Wirkungskette in Gang setzte. Der stabilisierenden gemeinsamen Währung beraubt, werden in manchen Nachbarstaaten Regierungen und Banken zahlungsunfähig. Diese Volkswirtschaften können dann kaum noch deutsche Produkte importieren. Zusätzlich wertet die alte, neue D-Mark stark auf. Der Effekt: Deutsche Fahrzeuge, Maschinen und andere Güter werden massiv teurer, was den Export zusätzlich behindert. Viele Unternehmen in Deutschland reagieren dann, indem sie Beschäftigten kündigen.
Solche Wirkungen sieht auch Christian Dreger, Leiter der makroökonomischen Abteilung beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Allerdings warnt er vor der „erheblichen Unsicherheit von Beispiel-Rechnungen“. Um wieviel Prozent genau das Bruttoinlandsprodukt einbreche und die Arbeitslosigkeit zunehme, lasse sich kaum abschätzen. Denn die Ökonomen können bei der Berechnung eines solchen Schocks, des Zusammenbruchs eines großen Währungsraumes, nicht auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Aber auch Dreger ist sicher: „Die negativen Wirkungen überwiegen.“ Als positiven Effekt eines D-Mark-Alleinganges nennt er, dass die Inflationsrate infolge der Aufwertung sinkt.
Kann man sich vorstellen, was in Deutschland los wäre, wenn neun Millionen Menschen keinen Lohn mehr erhielten? Die Arbeitslosenrate klettert dann in Richtung 25 Prozent. Heute liegt sie bei sieben Prozent. Solche Verhältnisse führen in Griechenland dazu, dass bei jeder Gelegenheit Straßenschlachten ausbrechen, der Müll nicht mehr weggefahren wird und Neonazis im Parlament sitzen, die Hitler gut finden.
Selbst, wenn man annimmt, dass sich die Deutschen ruhiger verhalten als die Griechen und der Staat diese Belastungsprobe aushält: Die D-Mark wird uns in den ersten Jahren massiv Wohlstand und Lebensqualität kosten. Denn weniger BIP und hohe Arbeitslosigkeit bedeuten, dass sehr viele Leute weniger Geld verdienen und der Staat weniger für Lehrer, Kindergärten, Sozialhilfe und Arbeitslosengeld ausgeben kann. Die Wartezeiten im Krankenhaus werden länger, weil die Ärzte auf der Suche nach besser bezahlten Jobs nach Kanada oder Neuseeland auswandern. Wer die D-Mark wiederhaben will, muss sich fragen, ob er solche Opfer zu bringen bereit ist.