„Dann kommt der Gerichtsvollzieher...“

Abzocker am Telefon gehen immer aggressiver vor / Verbraucherschützer beobachten neue Maschen

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Von Wolfgang Mulke

06. Feb. 2012 –

Die Computerstimme am Telefon will den Hörer ganz offensichtlich einschüchtern. „Dann kommt der Gerichtsvollzieher und nimmt den Fernseher mit“, droht der Automat für den Fall, dass eine angeblich berechtigte Forderung für einen Lottovertrag nicht beglichen wird. Die Verbraucherzentrale (VZ) Rheinland Pfalz sieht dieses Vorgehen von dubiosen Firmen als neuen Trend beim Eintreiben oft unberechtigter Rechnungen. „Es wird aggressiver“, stellt der Rechtsexperte der VZ, Christian Gollner, fest.


Eigentlich sollte mit der Abzocke am Telefon seit 2009 Schluss sein. Da wurden die unerlaubten Werbeanrufe verboten. Nur scheren sich viele Anbieter nicht darum. Mit immer neuen Maschen ziehen sie unbedarften Bürgern mit vorgegaukelten Verträgen das Geld aus der Tasche. Senioren sind die wichtigste Zielgruppe. So verspricht ein Anbieter aktuell gerade die Zusendung einer Kostprobe für ein Nahrungsergänzungsmittel. Wer zustimmt, erhält zur Werbepackung auch gleich die Bestätigung für den Abschluss eines Abonnements.


Mitunter geben sich die Abzocker am anderen Ende der Leitung auch als Rechtsanwälte, Verbraucherschützer oder sogar Mitarbeiter der Bundesnetzagentur aus. „Häufig besitzen sie bereits Konto- oder Geburtsdaten“, berichtet Gollner. Damit können die Gauner einerseits gezielt Ältere ins Visier nehmen, andererseits leicht deren Konto erleichtern.


Zwar sind die Tricks ganz offensichtlich unseriös. Doch der Nachweis fällt schwer. „Das sind Profis“, sagt Gollner. So rufen die Firmen oft zwei Mal an. Beim zweiten Gespräch wird dann etwas anderes als vereinbart vorgetragen als beim ersten Anruf. Wer nicht genau aufpasst, hat schnell einen rechtsgültige Abmachung getroffen. Als Beweis dient den Anbietern der Telefonmitschnitt. Selbst wenn dieser Mitschnitt ohne Zustimmung angefertigt wurde, ist der Vertrag selbst gültig.


Sofort aufzulegen, wenn ein Werbeanruf kommt, ist die leichteste Art, sich gegen Betrug am Telefon zu wehren. Wenn erst einmal eine Rechnung eingegangen ist, sollten die Betroffenen sofort aktiv werden und der Abmachung schriftlich widersprechen. „Selbst eine unberechtigte Forderung kann sonst bei der Schufa oder einer Auskunftei eingetragen werden“, warnt die VZ. Abgebuchte Beträge können Betroffene von ihrer Bank oder Sparkasse zurückholen lassen.


Die Bundesnetzagentur ist weitgehend machtlos. Die Behörde geht zwar gegen einzelne Unternehmen vor, wenn Rufnummernmissbrauch festgestellt wird. Dann verhindert das Amt den Einzug unberechtigter Forderungen durch Telefongesellschaften. Doch die Täter weichen schnell auf eine neue Methode aus. „Der Markt passt sich unseren Maßnahmen an“, räumt ein Sprecher der Agentur ein. Eine wirksame Verfolgung der Täter bleibt oft erfolglos. Sie sind schwer zu ermitteln und sitzen gerne im entfernten Ausland.


Die Bundesregierung hat das Problem erkannt und will die gesetzliche Lücke schließen. Das Bußgeld für unerlaubte Werbeanrufe wird von derzeit 50.000 Euro auf 300.000 Euro erhöht. Außerdem werden Verträge für besonders negativ auffallende Dienste wie Gewinnspielabos erst gültig, wenn der Kunde dies schriftlich bestätigt. Doch wird es noch Monate dauern, bis die Gesetzesänderung in Kraft treten wird. Voraussichtlich Anfang 2013 können Verbraucher auf mehr Schutz hoffen.



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