Das brüchige Bündnis

Auf die große Frage „Wie regulieren wir die Banken?“ gab der G20-Gipfel kleine Antworten

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Von Hannes Koch

28. Jun. 2010 –

Wenn es ein Ergebnis des G20-Gipfels im kanadischen Toronto gibt, dann ist es dieses: Die eigentliche globale Politik findet nicht auf globaler Ebene statt. Viel wichtiger ist, was in den Weltregionen passiert – in Asien, Amerika, Europa. US-Präsident Barack Obama, Chinas Staatschef Hu Jintao, Kanzlerin Angela Merkel können und wollen die jeweiligen Eigeninteressen ihrer Weltregionen nicht ignorieren. Für die transnationalen Banken und Investoren, die die Finanzkrise ausgelöst haben, heißt das: Weltweite Regeln wird es auch künftig nur wenige geben. Jeder Machtblock entscheidet selbst, was Banken dürfen, und was nicht.


Als sich die Regierungen der 20 mächtigsten Staaten dieser Erde am vergangenen Wochenende in Toronto trafen, um endlich Konsequenzen aus der Finanzkrise zu ziehen, waren seltsame Formulierungen zu hören. Eine davon lautete „optionaler Instrumentenkasten“. Soll heißen: Die Regierungen wollen sich bemühen, ein paar gemeinsame Grundsätze einzuhalten. Darüber hinaus kann aber jeder machen, was er will. Eigentlich unnötig zu betonen, dass es unter diesen Umständen eine globale Steuer für Banken – bekannt unter der Bezeichnung „Finanztransaktionssteuer“ - nicht geben wird. Das kann man beklagen, aber so sieht die Wirklichkeit aus.


Nur mit Mühe können die Mächtigen dieser Welt verhindern, dass das dünne Band, das sie seit 2008 geknüpft haben, zerreißt. Damit es hält, schließen sie Formelkompromisse. Einer davon: Um die Verursacher der Krise an der Finanzierung der Krisenkosten zu beteiligen, gebe es eine „Palette politischer Herangehensweisen“. Diese reichen von der Bankenabgabe, mit der Finanzinstitute Sicherheitsrücklagen für kommende Krisen ansparen sollen, bis zur Finanztransaktionssteuer.


Nur letztere böte die Möglichkeit, die Akteure auf den Finanzmärkten an den Krisenkosten, die sich nach Billionen Euro berechnen, in nennenswertem Umfange zu beteiligen. Jedes Finanzgeschäft zwischen professionellen Anlegern würde mit einer Ministeuer belegt, die in der Summe hunderte Milliarden erbrächte. Dies bremste nicht nur die Märkte, sondern würde auch die Mittel generieren, die wir für eine neue Weltinnenpolitik bräuchten – für Klimaschutz, Armutsbekämpfung und Entwicklung.

 

Ein derart weitgehender Konsens aber ist mit dieser G20 nicht zu machen. Wie auch? Sehr plausibel und doch kleinkariert argumentierten die Regierungen Chinas, Indiens, Brasiliens und Kanadas, dass ihre Banken nicht zu den Hauptverantwortlichen der Krise gehörten. Dass die Einnahmen aus einer künftigen globalen Steuer auch ihnen zugute kämen, wog nicht so schwer wie die kurzfristige Befürchtung, die heimischen Institute könnten unter der neuen finanziellen Belastung leiden.


Ähnliche Konflikte, wenn auch nicht so folgenreich, waren bei anderen Themen zu verzeichnen. Wie soll man künftig mit den SIFIs umgehen, den „systemically important financial institutions“, sprich den transnationalen Banken? Beaufsichtigen, eindämmen, in neuerlichem Krisenfall zerlegen oder auflösen, und wenn ja, wie? Die wichtigen Antworten wird jeder Machtblock selbst geben. In den Gipfeldokumenten stehen hinter den großen Fragen kleine Antworten.


Diese allerdings sind oft so relevant, dass man sie nicht geringschätzen sollte. Der Rahmen für Finanzgeschäfte wird definitiv enger. So unterstehen Hedgefonds und Ratingagenturen künftig zumindest einer minimalen staatlichen Aufsicht. Und die Finanzinstitute müssen mehr Kapital in Reserve halten als vorher – wenn auch erst ab 2012. Unter der Einschränkung, dass diese Pläne tatsächlich realisiert werden, kann man in ihnen Fortschritte sehen.


Trotzdem ist nun Europa gefordert. Was Merkel und Frankreichs Staatspräsident Sarkozy wollen, was zivilgesellschaftliche Organisationen wie Attac anstreben, lässt sich nur auf europäischer Ebene realisieren. Das gilt für die Bankensteuer ebenso wie die Registrierung der Hedgefonds oder die Gründung einer öffentlichen Ratingagentur, die die oft irreführenden Bewertungen der privaten Monopolisten relativieren kann. Obama ist an dieser Stelle schon weiter: Er hat vor dem G20-Gipfel ein relativ hartes Gesetz zur Bankenregulierung durch das Parlament gebracht, er hat nicht bis hinterher gewartet.


Wenn sich auf dem alten Kontinent drei, vier große Staaten einig sind, werden ihnen die übrigen Europäer folgen. Und ist Europa erst in der Lage zu handeln, setzt es Standards, die auch Staaten wie China, Brasilien und die USA nicht völlig ignorieren können.

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