Das Ende des Wirtschaftswunders

Warum der neue Bericht des Club of Rome trotz allem wertvoll ist

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Von Hannes Koch

07. Mai. 2012 –

Man muss nicht alles glauben, was in der neuen Studie „2052 – eine globale Vorausschau“ des legendären Club of Rome steht. Schließlich hat sich auch sein altes, berühmtes Buch „Die Grenzen des Wachstums“ in vieler Hinsicht als falsch erwiesen. Wichtig ist das aktuelle Werk dennoch: Es beschreibt die wirtschaftliche Stagnation als ein plausibles Zukunftsszenario.

„Club of Rome“ klingt großartig. Was war das noch gleich? Irgendetwas klingelt da ganz weit hinten. Richtig, vor einem halben Leben, 1972, hat diese Organisation mal ein Werk veröffentlicht, das eine ziemliche Welle machte. „Die Grenzen des Wachstums“ hieß es. Ökos veranstalteten Lesekreise, um auch noch das letzte Argument zu inhalieren. Hätten Mitglieder der Grünen bei der Gründung ihrer Partei 1979 auf ein Schriftstück schwören müssen, wäre es dieses Zahlenkompendium gewesen.

Vor 40 Jahren versammelten sich im Club zahlreiche junge und herausragende Wissenschaftler, von denen nicht wenige am renommierten Massachusetts Institute of Technology in den USA arbeiteten. Heute firmieren unter dem klangvollen Namen so wenige Mitstreiter, dass ein Überlebender, ein älterer Herr in Oslo, den aktuellen Bericht in der Ich-Form schreibt. Geht es um Poesie?

Man könnte so gemein sein und mit „Ja“ antworten – in Erinnerung an den Wahrheitsgehalt der Studie von 1972. Aus heutiger Sicht ist sehr vieles falsch, was drinsteht. Die Grenzen des Wachstums in Gestalt schwindender Ressourcen sind nicht eingetreten. Zum Leidwesen aller Klimaschützer gibt es immer noch Erdöl in Hülle und Fülle. Und sind die jetzt bekannten Lagerstätten vielleicht irgendwann doch erschöpft, kann man wahrscheinlich mit neuen technischen Tricks weiteren fossilen Treibstoff aus den Tiefen der Erde zu Tage fördern.

Welchen Sinn also haben Vorhersagen mit einer Laufzeit über 40 Jahre, wie sie der Club auch jetzt wieder versucht? Wird die Zukunft nicht mit jedem neuen Tag ein bisschen anders – und bleibt unvorhersehbar? Dieser Effekt kann die Qualität von Prognosen erheblich beeinträchtigen. So sind auch am neuen Club of Rome-Bericht gewisse Zweifel angebracht. Autor Jorgen Randers sieht die Maximalbevölkerung der Erde bei gut acht Milliarden Menschen etwa im Jahr 2040. Die Vereinten Nationen gehen auf der Basis weltweiter Expertise dagegen davon aus, dass irgendwann über neun Milliarden Menschen auf der Erde leben, möglicherweise sogar bis zu elf Milliarden.

Und doch haben die alte, wie die neue Studie des Clubs einen grundsätzlichen Wert. Aus Massen von Daten und Zeitreihen schälen die Wissenschaftler eine für viele Zeitgenossen verstörende These heraus: Bald, vielleicht sogar sehr bald können wir nicht mehr mit steigendem Wohlstand rechnen. Dann ist das Wirtschaftswunder endgültig zu Ende. Dafür sprechen viele empirische Befunde – unter anderem dieser: Seit langem sinken die Wachstumsraten der Industrieländer. Wenn Deutschland heute unter normalen Umständen 1,5 Prozent jährlich erreicht, läuft alles schon super. Geht es so weiter, haben wir die Null bald erreicht.

Uns sollte klar sein: Die angekündigte Stagnation der Industriegesellschaften muss nicht eintreten. Aber es könnte durchaus so kommen. Deshalb ist es sinnvoll, sich auf diese Variante vorzubereiten und rechtzeitig einzuüben, wie man ein angenehmes Leben ohne permanenten materiellen Wohlstandszuwachs organisieren kann.

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