Das Fahrrad wird langsam ernst genommen

Bund will den Verkehrsanteil deutlich ausbauen / Radler wollen Lobbyarbeit stärken

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Von Wolfgang Mulke

05. Sep. 2012 –

Das Fahrrad soll zu einem der tragenden Verkehrsmittel werden. Das sieht der Nationale Radverkehrsplan 2020 (NRVP) vor, den die Bundesregierung nun beschlossen hat. Gemessen an der Zahl der zurückgelegten Wege schwebt dem Bund ein Radanteil von 15 Prozent vor. Derzeit wird jede zehnte Fahrt mit dem Zweirad absolviert. Außerdem prüft das Verkehrsministerium zusammen mit den Bundesländern höhere Strafen für so genannte „Kampfradler“, weil die Zahl der Regelverstöße erheblich zugenommen hat.


„Wir werden uns insbesondere für den Bau von Radwegen an Bundesstraßen engagieren“, versichert Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. Denn ansonsten sind die Länder, vor allem aber die Kommunen für das Radwegenetz zuständig. In den vergangenen zehn Jahren hat der Bund rund 880 Millionen Euro für den Fahrradverkehr ausgegeben. Über die weiteren Etatpläne macht das Ministerium noch keine Angaben. Der grüne Verkehrsexperte Anton Hofreiter hält den NRVP für ein Feigenblatt. Die Bundesregierung kürze zugleich die Investitionsmittel, kritisiert der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag. „Der Radwegeplan ist gut, aber es mangelt an der Umsetzung“, fügt er hinzu. Tatsächlich sieht der aktuelle Haushalt noch 76 Millionen Euro für Bauten und Öffentlichkeitsarbeit rund um das Fahrrad vor. 2013 sind es nur noch 60 Millionen Euro.


Generell stößt der NRVP aber auch bei den Grünen und dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC) auf Zustimmung. „Eine Zielzahl für den Radanteil in einmalig“, sagt ADFC-Sprecherin Bettina Cibulski. „Fahrradfahren ist gesund, klimaschonend und Lärm vermeidend“, wirbt Regierungssprecher Steffen Seibert für den Einsatz von Muskelkraft zur Fortbewegung. Auf dem Vormarsch sind Zweiräder schon länger. 70 Millionen Räder besitzen die Deutschen. In jedem dritten Haushalt sind drei oder mehr Fahrräder vorhanden.


Bei der Nutzung gibt es jedoch ein starkes Gefälle zwischen Stadt und Land. In den Ballungsgebieten steigt der Fahrradverkehr stark an, während er in ländlichen Regionen nur einen untergeordnete Rolle spielt. In München ist der Anteil des Radverkehrs in den letzten 15 Jahren beispielsweise von sechs auf 17 Prozent gestiegen. In einigen kleineren Städten dominiert das Rad den Verkehr sogar. In Greifswald bringen es Radler auf 44 Prozent der zurückgelegte Wege. Das ist bundesweit ein Spitzenwert. Ein neuer Trend kommt hinzu. Bisher wurden vor allem Wege bis zu einer Entfernung von fünf Kilometern mit dem Fahrrad erledigt. Durch die Einführung der elektrisch unterstützten Pedelacs vergrößert sich der Radius zusehends. Der Bund fordert neben mehr speziellen Fahrstreifen auch Schnellfahrwege für die Radler.


„Es ist das Ziel, Fahrradfahren sicherer und attraktiver zu machen“, erläutert Seibert. Sorge bereitet den Experten die Zahl der Unfälle, an denen Radfahrer beteiligt sind. Zwar ist die Zahl der Verkehrstoten rückläufig, doch die der Schwerverletzten stieg zuletzt an. Vor allem bei Senioren häufen sich Unfälle mit Todesfolge. In der Folge sinkt auch das Sicherheitsgefühl der Radler. Die Bundesregierung sieht Möglichkeiten zur Verbesserung der Sicherheit. So sollen die Kommunen zum Beispiel besonders unfallträchtige Stellen entschärfen und so gestalten, dass auch bei Fahrfehlern keine schlimmen Folgen drohen.


Die Verbraucher lassen sich das Radeln auch immer mehr Kosten. So steigt auch die wirtschaftliche Bedeutung des Industriezweigs allmählich an. Im vergangenen Jahr gaben die Konsumenten im Durchschnitt 495 Euro für ein neues Fahrrad aus, 30 Prozent mehr als 2008. Der ADFC schätzt, dass allein in Deutschland 800.000 Fahrräder mehr verkauft werden könnten, wenn der Verkehrsplan in die Tat umgesetzt wird.

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