Das Gezwitscher um die Energiewende

Ein Jahr Bundesumweltminister Peter Altmaier: Das Strompreisproblem ist noch immer ungelöst

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Von Hannes Koch

16. Mai. 2013 –

Die Aufgabe, die die Kanzlerin Peter Altmaier übertrug, erfüllt dieser gut. Sie besteht darin, bis zur Bundestagwahl im September nichts anbrennen zu lassen. Das muss nicht heißen, dass der Bundesumweltminister, der genau ein Jahr im Amt ist, die Probleme beispielsweise bei der Energiewende löst. Die Aufgabe kann auch als erfüllt gelten, wenn Altmaier den glaubhaften Eindruck vermittelt, er ringe um Fortschritte.


Das tut er wirklich. Während sein Vorgänger Norbert Röttgen die Energiewende schleifen ließ, hat der freundliche, lebensfrohe Umweltminister seit Mai 2012 ein Feuer von Reisen, Konferenzen, Gipfeln und Plänen entfacht. Selbst in der Satiresendung Heute Show nahm er Platz. Die Diskussion über die Energiewende lief monatelang auf allen Kanälen – und Altmaier war immer mittendrin. Das ist nicht zuletzt auf seine besondere Fähigkeit zurückzuführen, Rede als Tat darzustellen. Der korpulente Saarländer ist ein Meister des kommunikativen Handelns.


Trotz aller Twitter-Nachrichten aber, die der Minister verschickt, ist das in der öffentlichen Wahrnehmung zentrale Problem der Energiewende genauso ungelöst wie vor Altmaiers Amtsantritt. Wegen des rasanten Zubaus von Wind- und Solarkraftwerken steigt der Preis pro Kilowattstunde Strom, den die Privathaushalte und die meisten Firmen bezahlen, zu Beginn des kommenden Jahres wahrscheinlich erneut.


Durchschnittliche Privathaushalte berappen heute bereits zehn bis 15 Euro monatlich für die Energiewende. Wenn der Ausbau der Ökoenergie weitergeht wie bisher, kommt zum Jahresbeginn 2014 ein Betrag in der Größenordnung von drei Euro hinzu, Anfang 2015 könnte die nächste Erhöhung folgen. Nicht zuletzt Handwerksbetrieben und mittelständischen Unternehmen macht die Preissteigerung zunehmend Sorgen.


Davor, dass es so kommt, warnt Altmaier ständig - auch am Donnerstag, anlässlich seines Jubiläums. Schon vor einem halben Jahr legte er deshalb einen Plan für die grundsätzliche Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes bis 2014 vor. Kernpunkt: Erstmal müssen alle mit allen in Ruhe über alles reden. Wollte er damit das Problem auf die lange Bank schieben oder versuchte Altmaier einen politischen Kulturwandel hin zu partizipativer, transparenter Entscheidungsfindung? Man wusste es nicht genau.


Zum Jahreswechsel jedenfalls schien ihm seine ausgeschlafene Herangehensweise selbst zu viel Zeit in Anspruch zu nehmen. Da setze der CDU-Politiker dann die Horrorzahl in die Welt, dass der Ökostrom die Deutschen bis zu einer Billion Euro (1.000 Milliarden) kosten könnte. Deshalb sollte es plötzlich ganz schnell gehen mit der Reform. Zusammen mit Wirtschaftsminister Philip Rösler tüftelte Altmaier das Konzept der sogenannten Strompreisbremse aus. Man wollte die Ökostrom-Kosten um rund zwei Milliarden Euro jährlich reduzieren, indem unter anderem die Energieproduzenten und die industriellen Großverbraucher einen finanziellen Beitrag leisten. Dieser Vorschlag aber scheiterte unter anderem an den SPD- und grünregierten Bundesländern, die Altmaier den Erfolg vor der Bundestagswahl nicht mehr gönnten.


So bleibt einstweilen alles beim Alten, und vor dem nächsten Winter wird nichts mehr passieren. Das wiederum scheint augenblicklich nur wenige Leute zu stören. Dank Altmaiers kommunikativen Wirbelsturms ist das Thema erst mal raus aus der Debatte.

 

Nichtsdestoweniger hat der Umweltminister aber einige reale Fortschritte vorzuweisen. Unter seiner Führung vereinbarten Bund und Länder, den regionalen Ausbau der Windenergie besser zu koordinieren. Wenn das klappt, lassen sich die Kosten für neue Stromleitungen verringern. Außerdem soll die Bundesnetzagentur künftig die Aufsicht über die Planungen überregionaler Stromleitungen führen. Bisher ist es immer wieder zu Konflikten zwischen einzelnen Bundesländern gekommen. So endet manche Höchstspannungstrasse, die dringend für den Stromtransport benötigt wird, an einer Landesgrenze, weil im benachbarten Bundesland die Planungen nicht vorankommen. Diese Hindernisse soll die Netzagentur mit dem einheitlichen Planungsverfahren aus dem Weg räumen.


Solche Schritte freilich sind Kleinkram im Vergleich zu dem vermutlich einzigen großen Erfolg der Amtszeit. Die wenigstens Beobachter hatten damit gerechnet, was Altmaier an einem dieser saukalten Märztage im überdachten Innenhof seines Ministeriums zusammen mit dem niedersächsischen SPD-Ministerpräsidenten Stephan Weil verkündete. Nach mehr als 35 Jahren Streit und Straßenschlachten um das geplante Endlager für Atommüll in Gorleben soll die Suche nach einem geeigneten Platz in Deutschland noch einmal ganz von vorne beginnen.


Zwar sind noch einige Details offen – etwa die Frage, wo abgebrannte Reaktorbrennelemente zwischengelagert werden, wenn Gorleben nicht mehr zur Verfügung steht. Deshalb drohte der grüne Umweltminister von Niedersachsen, Stefan Wenzel, am Donnerstag mit der Ablehnung des Gesetzes. Wenn dieser historische Kompromiss nicht noch in letzter Minute scheitert, wird ihn der Bundestag jedoch im Juni beschließen. Dann hätte Altmaier gerade noch einmal Glück gehabt. Ohne diesen Durchbruch würde von seiner bisherigen Schaffensperiode in der Regierung nicht viel mehr bleiben als Gezwitscher.

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