Das Glas ist voll
Kommentar zum Arbeitsmarkt von Hannes Koch
30. Jul. 2012 –
Den meisten Arbeitnehmern in Deutschland geht es ziemlich gut. Viele mögen sich über eine solche Aussage wundern. Doch die neuen Zahlen über den Arbeitsmarkt stützen sie. Zwei Drittel der deutschen Beschäftigten haben demnach einen ganz normalen Arbeitsplatz ohne Befristung, mit voller Sozialversicherung. Dieser Befund will nicht recht passen zu manchen beängstigenden Thesen von der Auflösung der Mittelschicht. Mehr noch: Der Kern der Gesellschaft scheint allmählich wieder bessere Bedingungen vorzufinden als im vergangenen Jahrzehnt. Wenn Firmen neue Stellen ausschreiben, sind dies vornehmlich Arbeitsplätze mit allem drum und dran – keine Hungerleider-Minijobs.
Das ist die gute Nachricht, hinter der sich jedoch eine schlechte versteckt. Der Bereich der deregulierten Stellen wächst ebenfalls, wenn auch nicht mehr so stark wie seit der Wiedervereinigung. Autokonzerne holen sich gerne mal Zeitarbeiter, Altenheime zahlen mitunter weniger als Hartz IV. Diese Tendenz gibt es. Aber augenblicklich wird sie schwächer. Das liegt nicht nur an der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands und der großen Nachfrage nach Arbeitskräften. Auch die gesellschaftliche Stimmung hat sich verschoben. Die Kampagne der Gewerkschaften mit der Forderung nach „guter Arbeit“ zeigt Wirkung. Bald könnte die Regierung einen flächendeckenden Mindestlohn einführen. Das ist richtig, denn nicht nur die Konkurrenzfähigkeit sollte in der Wirtschaft eine Rolle spielen, sondern auch der soziale Friede.