Das hoffentlich bessere Smartphone
In Kürze werden 25.000 Fairphones ausgeliefert. Das erste sozial und ökologisch korrekte Handy?
18. Dez. 2013 –
Über dem Logo „Fairphone“ prangt als I-Punkt ein schwarzer Stern. Ein Zeichen dafür, dass die Menschen hinter dem Label mit einem nicht gerade kleinen Anspruch antreten. Sie wollen erstmals ein Smartphone verkaufen, bei dem der „soziale Wert“ an erster Stelle steht. Rohstoffe wie Zinn und Tantal aus einigermaßen sozialverträglicher Produktion im Kongo, faire Löhne für die Arbeiter in den Fabriken – das stellt die Firma in den Vordergrund, nicht Design und Profit.
Diese Ansage ist eine Attacke auf Apple, Samsung & Co. - Konzerne, die den Smartphone-Markt unter sich aufteilen. Auch wenn Fairphone-Mitstreiterin Tessa Wernink betont: „Wir wollen nicht gegen die großen Markenfirmen arbeiten, sondern als kleine Pioniere neue Lösungen für die Branche entwickeln.“
Zunächst werden nur 25.000 Fairphones hergestellt. Zum Jahreswechsel sollen die ersten bei den Käufern eintreffen, die vorab den Preis von umgerechnet 325 Euro bezahlt haben. Wenn das Projekt klappt, könnte es der gesamten Branche einen Schub verleihen – einerseits in Richtung besserer Arbeitsbedingungen in der globalen Produktionskette, andererseits einer Preissenkung. Denn die 325 Euro sind ungefähr die Hälfte dessen, was Markenunternehmen wie Apple verlangen. Fairphone erbringt den Beweis, dass bis zur Hälfte des üblichen Verkaufspreises nur dem Gewinn der Konzerne dient.
Aber kann Fairphone seinem eigenen Anspruch gerecht werden? Die Fabrik Changhong steht in der chinesischen Stadt Chongqing. Warum werden die angeblich fairen Handys nicht in Europa gefertigt, wo es funktionierende Gewerkschaften und Sozialgesetze gibt? Fairphone argumentiert: Die gesamte Produktionskette der globalen Smartphone-Produktion liege eben in China. Weil das faire Handy Teile von zahlreichen Lieferanten benötige, sei es zu kompliziert, aus diesem Netzwerk auszusteigen. Außerdem gehe es ja gerade darum, „in der Produktionskette zu intervenieren“, so Wernink, und die Bedingungen in der Branche insgesamt zu beeinflussen.
Für die Fairphone-Arbeiter bedeutet dies, dass sie mehr Geld erhalten als den in Chongqing vorgeschriebenen Mindestlohn. Der beträgt 1.050 Yuan, etwa 125 Euro pro Monat. Hinzu kommen einige Boni, kostenloses Essen und bezahlte Überstunden. Vielleicht verdienen sie so rund 2.000 Yuan (etwa 240 Euro). Außerdem sollen knapp vier Euro pro Fairphone in einen Sozialfonds fließen, über dessen Verwendung die Beschäftigten der Fabrik mitentscheiden. Zusammen mit dem individuellen Arbeitslohn beliefe sich die Bezahlung am Ende auf gut 350 Euro.
Das ist vergleichbar mit den Gehältern in den Zulieferfabriken der großen Konzerne. Gegen diese wenden Kritiker jedoch ein, dass die Arbeiter zu wenig verdienten, um Familien zu ernähren. Ihr Lohn reiche nur für sie selbst. Freilich muss man in Rechnung stellen, dass das Leben am Fairphone-Standort Chongqing billiger ist als beispielsweise in Shenzhen bei Hongkong, wo Apple-Zulieferer Foxconn produziert.
Der Arbeitstag in der Produktionslinie der Fairphones soll kürzer sein als in den Konzern-Fabriken. „Die Arbeitszeit wird 60 Stunden pro Woche nicht übersteigen“, so Wernink, „und nach sechs Arbeitstagen haben die Beschäftigten mindestens einen Tag frei.“ Allerdings räumt sie ein: „Die Arbeitszeit auf das legale Maß von 49 Stunden zu reduzieren, ist gegenwärtig unrealistisch.“ Mehr als 49 Stunden pro Woche erlaubt das chinesische Arbeitsgesetz eigentlich nur in Ausnahmefällen. Aber viele Fabriken halten sich nicht an diese Regel.
Zum Vergleich: Auch Apple hat seinen Zuliefer-Arbeitern ein Maximum von 60 Stunden zugesichert – wobei die Realität oft ganz anders aussieht. Wer Beschäftigte vor den Fabriktoren befragt, hört, dass mehr als 80 Stunden durchaus üblich sind.
Insgesamt sieht es so aus, als ob die Arbeitsbedingungen bei Fairphone in Chongqing besser seien als in den Konzern-Fabriken. Die grundsätzlichen Probleme zu niedriger Löhne, zu langer Arbeitszeiten und nicht existierender Gewerkschaften sind aber auch bei dem Alternativ-Smartphone nicht ausgeräumt.
Kasten
Bessere Rohstoff-Beschaffung
Für die Herstellung von Smartphones braucht man unter anderem Zinn und Tantal – Metalle, von denen ein guter Teil unter mieserablen Bedingungen gewonnen wird. Die Minen beispielsweise im Kongo liegen teilweise in Bürgerkriegsgebieten, Milizen und Warlords beuten die Schürfer aus und finanzieren damit ihre Feldzüge. Stollen stürzen ein, die Löhne reichen kaum zum Leben. Fairphone macht jetzt einen gewissen Unterschied. Zinn und Tantal stammen aus kongolesischen Minen in Süd-Kivu und Katanga, die von den Projekten Conflict Free Tin Initiative und Solutions for Hope zertifiziert wurden. An diesen Metallen klebt angeblich kein Blut.