Das Konto für alle

Die Banken konnten bisher selbst entscheiden, ob sie einkommensschwachen Menschen ein Konto geben. Bei Appellen soll es nicht länger bleiben. Die Bundesregierung bringt einen Rechtsanspruch auf ein Konto für jedermann auf den Weg.

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29. Okt. 2015 –

Ohne Konto kein Job, keine Wohnung, kein Handy: Wer in Deutschland keine Bankdaten vorweisen kann, hat in der Regel schlechte Karten bei der Suche nach einem Arbeitsplatz oder einer festen Bleibe. Selbst Mitglied in einem Verein zu werden, scheint ohne Konto nahezu unmöglich. Das will die Bundesregierung jetzt ändern und hat einen Gesetzesentwurf für ein „Konto für jedermann“ auf den Weg gebracht. Nach der gemeinsamen Vorlage von Finanz- und Justizministerium haben demnach auch Menschen ohne festen Wohnsitz Anspruch auf ein Basiskonto bei einem Finanzinstitut. Sie müssen somit Geld, dass ihnen zusteht, nicht länger nur in bar verwahren. Zudem können sie Überweisungen machen, per Lastschrift bezahlen und erhalten eine EC-Karte, um auch ohne Bargeld bezahlen zu können.


Für Justizminister Heiko Maas (SPD) ist der Vorschlag ein „zentraler Schritt, damit alle Menschen in Deutschland voll am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilhaben können.“ Schätzungen zufolge leben mehr als 600.000 Menschen in Deutschland ohne Konto. Etliche mehr nutzen die Bankdaten von Freunden oder Verwandten. Die Dunkelziffer derjenigen, die keine eigenen Bankdaten vorweisen können, liegt vermutlich deutlich höher.


Verbraucherschützer und Sozialverbände begrüßten die Pläne. „Alle Verbraucher müssen einen einfachen Zugang zu einem Basiskonto haben, das ist Voraussetzung, um am Wirtschaftsleben teilnehmen zu können“, sagte der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller. „Das gilt auch für finanziell schwache Verbraucher, für Menschen ohne festen Wohnsitz oder Flüchtlinge.“ Er sprach sich zudem dafür aus, dass jeder, der ein Basiskonto besitzt, unkompliziert zu einem günstigeren Kontoanbieter wechseln können muss. Ähnlich äußerte sich der katholische Wohlfahrtsverband Caritas. „Die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft erfordert heutzutage zwingend, ein eigenes Girokonto zu haben“, betonte eine Sprecherin. Die Bundesregierung hätte die richtigen Weichen gestellt, die den Alltag der Betroffenen deutlich erleichtern würden.


Bisher haben Menschen ohne feste Wohnungsadresse, aber auch Geduldete oder Asylbewerber keinen rechtlichen Anspruch auf ein Konto. Selbst wer einen negativen Schufa-Eintrag hat oder vor der Privatinsolvenz steht, hat Probleme bei den Banken Gehör zu finden. Aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen haben die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) und das Bundesfinanzministerium die Kreditinstitute aufgefordert, den Geflüchteten ein Konto zu ermöglichen. Allerdings handelte es sich hier, um eine freiwillige Entscheidung. Ähnlich sah es bei den Wohnungslosen aus. Einige Banken, darunter vor allem Sparkassen, gewährten den Obdachlosen ein Konto. Etliche Finanzinstitute beteiligten sich allerdings nicht. Die zumeist einkommensschwachen Menschen waren schlichtweg nicht interessant für die Banken.


Aus dem Appell soll nun ein Gesetz werden. Mit dem Konto für jedermann setzt die Bundesregierung eine entsprechende EU-Richtlinie um. Nicht nur das Recht auf ein Konto soll gesetzlich verankert werden. Die Banken müssen künftig ihre Kunden über Gebühren und Kosten für ihre Dienstleistungen informieren. Über Vergleichswebseiten sollen die Verbraucher die Möglichkeit bekommen, das am besten geeignete Konto für sie zu finden. Außerdem wird es deutlich einfacher, die Bank zu wechseln. Alter und neuer Dienstleister müssen laut Entwurf besser zusammenarbeiten und Daten schneller austauschen. Das Gesetz soll nach den Plänen der Bundesregierung spätestens am 1. Juni 2016 in kraft treten. Zunächst muss aber das Parlament über den Entwurf beraten.


Die Regelung wird für alle Banken gelten, ganz gleich, ob sie ihre Dienstleistungen in Filialen oder im Internet anbieten. Allerdings werden den neuen Bankkunden nicht die Gebühren für die Kontoführung erlassen. Sowohl die Ministerien als auch Verbraucherschützer plädieren für einen bezahlbaren Preis für die Bearbeitung des Kontos. Kosten fallen meist für Konten bei Banken mit Filialen an. Ob nun Postbank, Sparkasse, Volksbank oder Deutsche Bank - die Höhe der Gebühren richtet sich häufig nach den Eingängen auf dem Konto. Viele Internetbanken erlassen ihren Kunden die Kosten für die Kontoführung. Laut Verbraucherschützern kommt die Bank im Netz für die meisten Obdachlosen allerdings nicht in Frage. Ohne Online-Zugang werden sie diese Angebote nicht nutzen können.


Die Linke setzt sich für ein kostenloses Konto ein. „Die Banken zocken besonders gern da ab, wo eh schon wenig zu holen ist“, erklärt Caren Lay, stellvertretende Vorsitzende der Linken im Bundestag. Für die Expertin für Verbraucherpolitik muss die Gebührenfreiheit im Gesetz verankert werden. Nur so könne man Schlupflöcher für die Banken stopfen. „Jahrzehnte hat die Bundesregierung auf eine Selbstverpflichtung der Banken zur Einrichtung von Konten gesetzt“, sagte Lay. Für sie war die freiwillige Vereinbarung das Papier nicht wert, auf dem sie stand.

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