Das meiste gehört nur wenigen

Reichtums- und Armutsbericht vorgelegt

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Von Wolfgang Mulke

06. Mär. 2013 –

Nach langen Diskussionen um einzelne Formulierungen hat die Bundesregierung nun den Vierten Armuts- und Reichtumsbericht vorgelegt. Sozialministerin Ursula von der Leyen sieht Deutschland bei der Armutsbekämpfung auf dem Erfolgsweg, Sozialverbände und Opposition werfen der Bundesregierung die Verharmlosung der Lage vor. Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten zum Inhalt des Berichts.



Werden die Reichen reicher und die Armen ärmer?


Die Statistik belegt diesen Trend. So hat sich die Einkommensschere zwischen 2000 und 2005 deutlich geöffnet. Diese Kluft hat sich in den letzten Jahren wieder etwas verringert, was die Bundesregierung als Erfolg ansieht. Eine deutlichere Schieflage gibt es mit Blick auf die Verteilung der Vermögen. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung vereinen fast 53 Prozent des gesamten Nettovermögens im Lande auf sich. 1998 waren es noch 45 Prozent. Dagegen sank der Anteil der unteren Hälfte der Haushalte im gleichen Zeitraum von knapp drei Prozent auf nunmehr 1,2 Prozent. Rechnet man das Betriebsvermögen ein, wird die Ungleichheit noch größer.


Wer gilt als arm?


Die Bundesregierung legt den in Europa verwendeten wissenschaftlichen Armutsbegriff zugrunde. Danach gilt als arm, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügt. In Deutschland lag der Grenzwert 2009 bei 966 Euro für einen Single-Haushalt. Für weitere Haushaltsmitglieder kommt jeweils ein kleinerer Betrag dazu. Diese Definition hat eine große Schwäche. Denn je mehr der Großteil der Bevölkerung verdient, desto höher wird die Armutsschwelle. Im Extremfall gibt es allein dadurch mehr Arme, ohne dass es den betroffenen Menschen materiell schlechter geht.


Geht es hierzulande ungerechter zu als anderswo in der Welt?


Im internationalen Vergleich steht Deutschland in Hinblick auf die Einkommensverteilung überdurchschnittlich gut da. Nur in den skandinavischen Ländern. Tschechien und Österreich ist die Verteilung gleichmäßiger. In den USA, der Türkei oder Mexiko geht es dagegen weitaus ungerechter zu.


Wie kann die Schere bei Einkommen und Vermögen wieder geschlossen werden?


Die Bundesregierung setzt auf Arbeit für möglichst alle. Dies sei der beste Weg zur Armutsvermeidung, sagt von der Leyen. In den letzten Jahren war diese Strategie zumindest teilweise erfolgreich. Die unteren 40 Prozent der Arbeitnehmer haben von den Lohnsteigerungen der letzten Jahre überdurchschnittlich profitiert. Die Jugendarbeitslosigkeit ist um 20 Prozent zurückgegangen und so niedrig wie nirgendwo sonst in Europa. Zudem arbeiten mittlerweile knapp 72 Prozent der Frauen. Zu Beginn des Jahrhunderts waren es nur 60 Prozent. Auf der Kehrseite steht, dass Frauen oft nur Teilzeitjobs finden oder schlecht verdienen. Insbesondere, wenn sie nach der Babypause wieder in den Beruf zurückkehren. Das will die Ministerin ändern. Sie will die Rückkehr auf eine Vollzeitstelle gesetzlich garantieren.


Woran liegt die wachsende Ungleichheit?


Etwa 16 Prozent der Haushalt sind von Armut bedroht. Dieser Anteil ist nach einem Anstieg in Folge der Arbeitsmarktreformen zu Beginn des letzten Jahrzehnts und eines immer größer werdenden Niedriglohnsektors in den letzten Jahren recht konstant geblieben. Laut Bericht müssen vor allem Jugendliche, junge Erwachsende und Alleinerziehende von geringen Einkommen leben. Mehr als ein Millionen Jobber erhalten pro Stunde weniger als fünf Euro. Jeder fünfte Erwerbstätige verdient weniger als 8,50 Euro in der Stunde.


Wo sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf?


Ministerin von der Leyen will vor allem eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen erreichen. Dadurch sinkt das Armutsrisiko von Familien deutlich ab. Außerdem pocht sie auf eine Lebensleistungsrente für alle, die eine lange Lebensarbeitszeit vorweisen können, dabei aber zu wenig für eine anständige Rentenleistung verdient haben. Zudem will die Politikerin durch weitere Mindestlöhne Lohndumping verhindern.


Was fordern Sozialverbände und Opposition?


Die Nationale Armutskonferenz, zu der sich Wohlfahrtsverbände zusammengefunden haben, sehen im Bericht der Bundesregierung eine reine Augenwischerei. Sie fordern eine Umverteilung der Vermögen, zum Beispiel über eine Vermögens- oder Erbschaftsteuer. Das Geld wollen die Verbände für eine bessere Bildung, gute Pflegeleistungen und Renten sowie das Gesundheitssystem ausgeben. Auch SPD und Grüne wollen Vermögen besteuern und so für Umverteilung sorgen.

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