Das Parlament des Euro

Mehr Macht für Brüssel? Wie die Demokratisierung Europas ablaufen könnte

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Von Hannes Koch

17. Okt. 2012 –

Europa wird stärker. Als Antwort auf die Schuldenkrise haben die Mitgliedsstaaten beispielsweise den 700-Milliarden-Euro-Fonds ESM gegründet. Doch nicht nur Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagt, dass Europa noch mächtiger werden solle. Kurz vor dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag schlug er vor, den EU-Währungskommissar künftig viel mehr in die nationale Finanzpolitik eingreifen zu lassen. Wie aber steht es mit der demokratischen Kontrolle des starken Europa? Geraten die Rechte der Bürger unter die Räder der Monsterbürokratie in Brüssel? Unsere Zeitung gibt Antworten.


Welche Rechte haben Bürger und Parlamente?

Der Eindruck, dass Europa eine undemokratische Veranstaltung ist, stimmt eigentlich nicht. Einerseits müssen der Deutsche Bundestag und die anderen Parlamente zustimmen, wenn die Nationalregierungen im Europäischen Rat völkerrechtliche Verträge beschließen. Andererseits kontrolliert das Europäische Parlament, das unter anderem die Bundesbürger wählen, die Europäische Kommission. Ohne Zustimmung des EU-Parlaments können EU-Präsident Manuel Barroso und seine Kommissare ihre Arbeit nicht aufnehmen und kein Geld ausgeben. Das Parlament kann die Kommission sogar mit einem Misstrauensvotum abwählen.


Was darf das EU-Parlament nicht?

Zwar hat das Europäische Parlament im Laufe der Jahre Rechte hinzugewonnen, aber noch darf es keine eigenen Gesetzesinitiativen starten. Schließen die Regierungen untereinander Verträge wie beispielsweise zur Gründung des Stabilisierungsfonds ESM, ist das EU-Parlament formal nicht beteiligt.


Zusätzliche Kompetenzen für die Volksvertreter?

Viele Politiker, auch Schäuble, beklagen deshalb einen zunehmenden Widerspruch. Einerseits wird die EU-Komission etwa durch den Fiskalpakt mächtiger, und neue, zentrale Institutionen wie der ESM kommen hinzu. Deshalb soll andererseits auch das EU-Parlament mehr Mitwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten erhalten.


Was fordert das EU-Parlament?

Martin Schulz, der deutsche Präsident des EU-Parlaments, sagt es so: „Wir sind das Parlament des Euro.“ Das heißt: Nicht vornehmlich die nationalen Parlamente und Regierungen sollen künftig die Euro-Politik bestimmen, sondern die Volksvertreter auf EU-Ebene. Konkret will die dortige Mehrheit erreichen, dass ein mächtigerer Währungskommissar nicht ohne Zustimmung des EU-Parlaments handeln kann. Wenn der Kommissar beispielsweise der Bundesregierung verbieten würde, zu viele Schulden zu machen, müsste das EU-Parlament diesem Eingriff zustimmen. Außerdem verlangen die Parlamentarier etwa, dass sie mitentscheiden können, wer Chef des Stabilitätsfonds ESM wird.


Was bedeutet das für den Bundestag?

Er müsste bereit sein, eigene Kompetenzen auf das Europäische Parlament zu übertragen.


Wie würde dieser Prozess ablaufen?

Schäuble hat bereits angedeutet, dass die Europäischen Verträge geändert werden müssten. Wenn man Zuständigkeiten auf Unionsebene verlagern will, ist das „ordentliche Änderungsverfahren“ notwendig. Das beinhaltet, einen gesamteuropäischen Konvent einzuberufen, der aus Vertretern der nationalen Parlamente, dem EU-Parlament, der Kommission und dem Rat der Regierungen besteht. Außerdem müssen der Bundestag und Bundesrat mit verfassungsändernder Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen. Dabei kann es grundsätzlich passieren, dass das Bundesverfassungsgericht in Deutschland eine Volksabstimmung verlangt, um die Übertragung von Rechten nach Europa zu legitimieren.

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