• Katharina Wrohlich

"Das Realsplitting ist eine Steuererhöhung"

Im Interview: Katharina Wrohlich

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Von Wolfgang Mulke

10. Okt. 2013 –

„Es geht um ein Bündel von Zielen“

 

Katharina Wrohlich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ist eine der Autorinnen eines Gutachtens über die Wirkung der Familienpolitik. Die 36-jährige Volkswirtin hält Reformen für notwendig.

 

Frage: Frau Wrohlich, sind Sie eigentlich sauer auf Familienministerin Kristina Schröder, weil sie das Gemeinschaftsgutachten zur Familienpolitik ganz anders deutet als die Wissenschaftler?

 

Katharina Wrohlich: Sauer ist zu viel gesagt. Ich war verwundert, denn es gibt in diesem Gutachten eine Vielzahl von einzelnen Ergebnissen. Einfach zu sagen, alles ist gut, wird dem nicht gerecht.

 

Frage: Der Staat fördert Ehe und Familie mit 156 Maßnahmen und rund 200 Milliarden Euro im Jahr. Dennoch verharrt die Geburtenrate auf einem sehr niedrigen Stand. Lohnt sich der Aufwand überhaupt?

 

Wrohlich: In dieser vom Familienministerium ermittelten Summe sind viele ehebezogene Leistungen enthalten, zum Beispiel die Witwenrente oder die kostenlose Mitversicherung von Ehepartnern in der Krankenversicherung. Es geht außerdem nicht nur um eine höhere Geburtenrate, sondern ein Bündel von Zielen. Dazu gehören auch die Förderung des Kindeswohls, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder die wirtschaftliche Stabilität von Familien. Man darf auch nicht verkennen, dass Familien in sehr unterschiedlichen Umständen leben, von der alleinerziehenden Arbeitslosen bis zur reichen Großfamilie. Mit einem oder zwei Instrumenten für alle würde man dieser Vielfalt nicht gerecht.

 

Frage: Widersprechen sich nicht manche Ziele, wie der Ausbau von Kitaplätzen und das Betreuungsgeld?

 

Wrohlich: Es gibt Zielkonflikte. Die Politik will zum Beispiel die Einkommen der Familien durch das Ehegattensplitting stabilisieren. Das wirkt jedoch gegen die Vereinbarkeit von Kindern und Job, weil insbesondere die Frauen eher zu Hause bleiben. Wir haben das untersucht und herausgefunden, dass lediglich Familien mit gehobenen oder hohen Einkommen davon profitieren.

 

Frage: Sie fordern stattdessen ein Realsplitting? Was steckt dahinter und wie funktioniert es?

 

Wrohlich: Derzeit können Eheleute beide Einkommen zusammenzählen und jeder übernimmt in seiner Steuererklärung fiktiv die Hälfte davon. Da die Steuerlast bei kleineren Einkommen geringer ausfällt als bei höheren müssen beide zusammengenommen weniger Abgaben leisten. Bei unserem Vorschlag darf nicht mehr das komplette hälftig Einkommen aufgeteilt werden, sondern eine fiktive Übertragung von Einkommen wäre nur noch bis zu einem gewissen Betrag möglich, zum Beispiel in Höhe des Grundfreibetrags von rund 8.000 Euro.

 

Frage: Kommt das nicht einer Steuererhöhung für Familien gleich?

 

Wrohlich: Das ist eine Steuererhöhung. Doch die Mehreinnahmen sollen direkt wieder den Familien zur Verfügung gestellt werden, in dem sie in den Ausbau der Kindertagesbetreuung investiert werden.

 

Frage: Warum gerade hier?

 

Wrohlich: Die Studie zeigt, dass vor allem der Kita-Ausbau positive Effekte auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, auf die wirtschaftliche Stabilität von Familien und sogar auf die Geburtenrate hat. Doch es mangelt an Plätzen für kleine und ältere Kinder. Und auch die Qualität der Betreuung lässt noch Wünsche offen.

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