Das steigende Risiko alter Atomkraftwerke

Irreparable Materialermüdung: Greenpeace fordert Stillegung, wenn Kernkraftwerke 30 bis 40 Jahre in Betrieb waren

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Von Hannes Koch

04. Mär. 2014 –

Aus dem abbröckelnden Beton schauen schon die Metallstreben heraus. So sieht an manchen Stellen die Außenhaut des Atomkraftwerks Tihange in Belgien aus, 85 Kilometer südwestlich von Aachen. Die Anlage ist eines der ältesten noch laufenden Kernkraftwerke in Europa – und damit nach Ansicht der Umweltorganisation Greenpeace ein besonderer Gefahrenherd.

 

Am Mittwoch veröffentlicht die Organisation ihren neuen Report „Alternde Atomreaktoren: Eine neue Ära des Risikos“. Darin geht es unter anderem um die 66 nuklearen Kraftwerksblöcke in Europa (außer Russland), die bereits länger als 30 Jahre Strom produzieren. Wegen ihres hohen Alters nehme bei diesen Anlagen das Risiko stark zu.

 

In Deutschland gehört in diese Kategorie das E.ON-Kraftwerk im bayerischen Grafenrheinfeld, in Belgien ist es neben Tihange auch Doel. An dem alten niederländischen AKW Borssele ist RWE beteiligt. In Frankreich geht es um Fessenheim südwestlich von Freiburg und in der Schweiz unter anderem um das AKW Beznau, dem nach Greenpeace-Angaben „ältesten noch laufenden AKW der Welt“. Beznau wurde demnach 1969 in Betrieb genommen. Es steht nur wenige Kilometer von der deutschen Grenze entfernt.

 

„Der Reaktor Tihange 2 weisst Risse im Druckbehälter auf“, sagt Greenpeace-Atomexpertin Susanne Neubronner. Das Kraftwerk Beznau bezeichnet sie unter anderem wegen der „vielen Korrosionsschäden“ als „tickende Zeitbombe“.

 

Tihange-Betreiber Elektrabel weist die Vorwürfe zurück. „Wir investieren permanent in die Nuklearanlagen, um die Sicherheit zu gewährleisten. Diese ist unsere höchste Priorität.“ Die Beznau-Betreiberfirma erklärt: „Axpo plant, die bewährten Kernkraftwerke Beznau 1 und 2 so lange zu betreiben, wie sie sicher und wirtschaftlich sind. Das Kernkraftwerk Beznau erfüllt modernste technische Ansprüche, weil es laufend nachgerüstet wurde.“

 

Greenpeace weist dagegen daraufhin, dass die alten Kernkraftwerke zwangsläufig unsicherer würden. Durch die jahrzehntelange hohe Belastung nehme die Zuverlässigkeit zentraler technischer Komponenten ab, ohne dass man sie richtig reparieren könnte. Die Druckbehälter, in denen die atomare Kettenreaktion abläuft, ließen sich beispielsweise nicht austauschen.

 

Greenpeace fordert deshalb, die AKW stillzulegen, wenn sie ihre ursprünglich geplante Betriebsdauer absolviert haben. Dies seien in der Regel 30 bis 40 Jahre. Die oft praktizierte Verlängerung der Laufzeit lehnt die Umweltorganisation ab.

 

Außerdem verlangt sie, dass die Betreiber der Kernkraftwerke Haftversicherungen abschließen, die die realistische Höhe eines möglichen Unfalls abdecken. Während die Kosten der Atomkatastrophe von Fukushima etwa 186 Milliarden Euro betrügen, seien deutsche AKW heute nur mit 2,5 Milliarden Euro pro Unfall versichert.

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