Der Aufschwung aus dem Nichts

Die Konjunktur brummt und niemand wollte es merken

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Von Wolfgang Mulke

26. Jul. 2010 –

Seit gut einem Jahr wächst die Wirtschaft wieder. Doch dem Aufschwung wollten bisher nur wenige trauen, auch wenn die Experten, von den Forschern bis hin zur Bundesregierung ihre Prognosen nach und nach immer weiter erhöhten. Jetzt spricht Wirtschaftsminister Rainer Brüderle gar schon von mehr als zwei Prozent Wachstum in diesem Jahr. Bisher haben seine Beamten mit einem Drittel weniger gerechnet.

 

Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist optimistisch. „Wir warnen jedoch vor Übermut“, sagt Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf. Denn weltweit laufen die gigantischen Konjunkturprogramme aus und die Staaten gehen wieder auf Sparkurs. Noch immer sind Skeptiker wie der Verband in der Mehrheit.

 

Dabei sind die Rahmendaten mehr als erfreulich. Der Export läuft auf Hochtouren. Ein Plus von acht Prozent ist für Deutschland in diesem Jahr drin. Mehr und mehr werden nicht mehr nur Vorleistungen wie Stahl bestellt, sondern auch Investitionsgüter. Das heißt, die Unternehmen glauben weltweit wieder an eine positive Entwicklung und schaffen sich neue Maschinen an. Selbst der Konsum läuft in Deutschland besser als erwartet. Das liegt vor allem an der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Statt der ursprünglich befürchteten Massenarbeitslosigkeit hinterließ die Krise keinen nachhaltigen Einbruch auf dem Stellenmarkt. Im Juni wurden mehr als 250.000 Arbeitslose weniger gezählt als vor einem Jahr.

 

Die Optimisten sehen sich nun bestätigt. Dazu gehört zum Beispiel der Analyst der Bremer Landesbank, Folker Hellmeyer, der von einem anhaltenden Aufschwung ausgeht und dies auch gut begründen kann. „In der Krise wurden die Lager abgebaut“, erläutert der Experte. Weltweit stocken die Unternehmen nun wieder ihre Lager auf. Zweiter Antrieb sind die Investitionen der Wirtschaft. Mit Beginn der Finanzkrise kappten viele Firmen die Etats dafür. Nun müssen sie verstärkt alte Anlagen ersetzen oder neue anschaffen. Schließlich beobachtet Hellmeyer einen stabilen Konsum. Alles zusammen ergibt ein kräftiges Wachstum. „Das sind physikalische Gesetze der Ökonomie“, sagt der Bremer.

 

In den USA sieht es weitaus schlechter aus. Die US-Notenbank schließt eine neuerliche Rezession nicht aus. Die Arbeitslosigkeit bleibt hoch und die Verschuldung hat gigantische Ausmaße angenommen. Mehr als zehn Prozent der Wirtschaftsleistung nimmt Präsident Barrack Obama an neuen Schulden auf, um die Wirtschaft anzufachen. Die Leute haben weniger Geld für den Konsum als wichtigste Stütze der Wirtschaft. Diese Entwicklung wird an den Börsen auch als Gefahr für die Weltkonjunktur angesehen. Doch die Zeiten haben sich geändert, die USA verlieren an Bedeutung.

 

„Sie sind nicht mehr die entscheidende Konjunkturlokomotive“, sagt Hellmeyer. Der Anteil der USA an der Weltwirtschaft liegt bei nur noch 18 Prozent. Die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung wird mittlerweile in den Schwellenländern erbracht, allen voran China heizt die Weltwirtschaft mit einem Wachstum von rund neun Prozent an. Weitere 25 Prozent steuern traditionelle Industrienationen wie die europäischen Staaten, Australien und Kanada  bei.

 

Die Krisenländer in der „Knoblauchzone“, wie Hellmeyer Griechenland, Spanien oder Portugal gerne bezeichnet, sind gerade einmal mit drei Prozent an der Weltwirtschaft beteiligt. Deshalb werde die Gefahr des Krisenherds auch überzeichnet, stichelt der Analyst gegen die Skeptiker, „die Mehrheit der Kollegen hat auch durch diesen handwerklichen Fehler die größte Konjunkturerholung in der jüngeren Geschichte voll verpasst.“

 

 

 

 

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